Die reine Aquarellmalerei lässt im Gegensatz zu den beiden anderen Wasserfarbentechniken Gouache und Tempera den Malgrund durchscheinen und bezieht ihn in den koloristischen Aufbau des Bildes ein; sie verzichtet also auf Deckfarben und verwendet statt dessen möglichst klare, ungebrochene Töne in dünnstem, lasierendem Auftrag. Tonabstufungen innerhalb einer Farbe werden nicht durch Mischen mit Weiß, sondern vor allem durch die Intensität des Auftrags erreicht.
An sich ist die Wasserfarbenmalerei die älteste Maltechnik, sie herrscht z.B. in der prähistorischen Felsmalerei vor. Später im Mittelalter behauptet sie sich in der Buchillumination neben der vorherrschenden Deckfarbenmalerei.
Seit dem 15. Jh. wird das Aquarell für Skizzen, Vorstudien und Entwurfszeichnungen üblich, zumal als farbige Erweiterung oder anstelle der lavierten Pinselzeichnung. Aquarellierte Gobelinentwürfe sind z. B. von Mantegna und Raffael erhalten; Lucas Cranach, Dürer und beide Holbein nahmen Aquarellfarben, um Porträtstudien farbig auszuführen.
Eine zunehmende Bedeutung des Aquarells ist in der niederländischen Landschaftsmalerei des 16. und 17. Jh.s zu verzeichnen: Roelant Savery, Nicolaes Berchem und die beiden Ostade sind bedeutende Aquarellisten.
Ebenso wird in der italienischen, französischen und deutschen Landschaftsmalerei seit dem 17. Jh. häufig und keineswegs nur zu Studienzwecken aquarelliert. Die besondere Vorliebe, mit der man sich im 18. Jh. dem Aquarell zuwendet – es wird nun geradezu eine Dilettantenmode –, ist also keine plötzliche, abrupte Erscheinung, sondern die Steigerung einer nahezu kontinuierlichen Entwicklung.
Gleichzeitig beginnt eine neue, zunächst noch isolierte Entwicklung in England, die nicht nur die kontinentale barocke Tradition überwindet, sondern auch den modernen Aquarellstil begründet. Alexander Cozens und sein Sohn John Robert Cozens kommen bereits in der 2. Hälfte des 18. Jh.s zu einer impressionistischen Auffassung des Landschaftsaquarells. Hatten die vielgereisten Cozens noch vorwiegend kontinentale Landschaften dargestellt, so perfektionierten zwei ihrer indirekten Schüler und Verehrer, William Turner und Thomas Girtin, diese Ansätze des neuen Stils unter den spezifischen Lichtverhältnissen des Inselklimas. Sie greifen dabei zu Formaten, die bislang dem Ölbild vorbehalten waren: das Aquarell wird endgültig zum selbständigen Bildtypus, der nun bald, nicht immer mit Vorteil, über das Landschafts- und Marinestück hinaus jegliches Genre in Anspruch nimmt.
Obwohl das Aquarell seit Turner nicht mehr aus der Geschichte des Impressionismus wegzudenken ist, blieb es für die meisten französischen Impressionisten nicht viel mehr als eine Skizzentechnik. Éduard Manet beherrschte und übte es gleichwohl meisterhaft, ebenso Pauzl Cézanne. Dagegen hat der frühe deutsche Expressionismus, vor allem der Kreis des „Blauen Reiters“, das Aquarell von Anfang an als eigenwertiges Ausdrucksmittel genützt. Wassily Kandinsky und Paul Klee, von denen die ersten abstrakten Aquarelle stammen, liebten es in allen Schaffensperioden, August Macke erreichte darin seine stärkste Farbenglut, ähnlich wie Karl Schmidt-Rottluff und Emil Nolde, der einen Großteil seines der klaren Farbe verschworenen Œuvres in dieser Technik schuf.
In Kooperation mit dem Seemann Verlag
Aus: Sachwörterbuch der Weltmalerei: Aquarell. Kindlers Malereilexikon
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