1858 Tapiau/Ostpreußen - 1925 Zandvoort
Modern | Post War | Contemporary | Galerie Michael Schultz
am
01.06.2022,
Los
34
Taxe: € 250.000
Ergebnis: €
316.800
(inkl. Aufgeld)
CORINTH, LOVIS
1858 Tapiau/Ostpreußen - 1925 Zandvoort
Titel: Stillleben - Rote und rosa Rosen in Vase auf Tischtuch (Blumen).
Datierung: 1913.
Technik: Öl auf Leinwand.
Maße: 81,5 x 65,5cm.
Bezeichnung: Signiert und datiert rechts, oberhalb der Tischkante: Lovis Corinth 1913.
Rahmen/Sockel: Modellrahmen.
Bei diesem Gemälde handelt es sich um einen erfolgreichen Restitutionsfall aus der Kunstsammlung von Gustav und Emma Mayer, Frankfurt a.M.
Provenienz:
- Kunstsalon M. Goldschmidt & Co, Frankfurt a.M.
- Kunstsammlung Gustav und Emma Mayer, Frankfurt a.M. (zwischen 1916-1921 bei Vorgenanntem erworben)
- Beschlagnahmung in Brüssel durch die Nationalsozialisten (1939)
- Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (Rauborganisation der NSDAP für Kulturgüter, ab 1942/43)
- Office de Récupération Economique (nach 1944)
- Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique, Brüssel (ab 1951, Inv.-Nr. 6605)
- Nachfahren von Gustav und Emma Mayer (am 10.2.2022 durch Restitution von Vorgenanntem erhalten)
- Bei diesem Gemälde handelt es sich um einen erfolgreichen Restitutionsfall aus der Kunstsammlung von Gustav und Emma Mayer, Frankfurt a.M.
- Hinreißendes Blumenstillleben von unendlicher Zartheit mit virtuosem Duktus und leuchtenden Farbnuancen
- Außergewöhnlich großformatiges Gemälde
- Blumenstillleben bilden in Corinths späterer Lebensphase die stärkste Gattung.
Rosenstrauß, Vase und Tischdecke - auf den ersten Blick hat Lovis Corinth in unserem Gemälde diese Protagonisten klar dargestellt. Aber der Künstler schildert weit mehr: Mit pastosen, haptischen Pinselstrichen und -flecken malt er einen lichtdurchfluteten Raum, in dem sich öffnende und schließende Blüten leuchten und schillern von Rot bis Weiß und all den dazwischenliegenden zarten Farbnuancen zeigen. Zwischen ihnen setzt er sich reckende und kreuzende Stängel mit Blättern im feinen Farbenspektrum von Dunkel- bis Silbergrün. Auf virtuose Weise löst Corinth den Rosenstrauß in vitale Farbenklängen auf. Was er hier eindringlich beschreibt ist das Wachsen und Vergehen der Natur und damit auch die Veränderlichkeit allen irdischen Lebens. Wie ein Widerhall dessen scheint er das Farbenmeer des Straußes, einem "blinden" Spiegel gleich, im hellgrauen Hintergrund schemenhaft zu wiederholen. Kontrastreich stellt Corinth den abstrahierten, organischen Formen der Blumen das geometrische Rautenmuster der geschliffenen blauen Glasvase wie auch das Karomuster der braun-rosa-farbenen Tischdecke gegenüber. Mit ihnen gibt er dem Dargestellten nicht nur kompositorischen Halt. Als unveränderbare Dinge setzt er sie als eine Konstante dem Vergänglichen entgegen.
Als Lovis Corinth dieses Bild malt, ist er in einer malerischen Umbruchphase. Grund hierfür ist unter anderem ein Schlaganfall, durch den er ab 1911 linksseitig gelähmt ist. Er wählt nun überwiegend "leichte" Sujets wie Stillleben, hier vor allem Blumenstücke, und Landschaften. Trotz der körperlichen Einschränkungen entwickelt Corinth seine Malerei weiter. So arbeitet er zunehmend selbstbewusster, spontaner und impulsiver. Durch die äußert sensibel mit unruhigem Duktus aufgetragene Farbe gibt er dem Bild einen weiteren Ausdruckwert, der dem Expressionismus näher ist als dem Impressionismus. Farbigkeit, Licht und Atmosphäre werden nun die eigentlichen Themen seiner Gemälde. Unser Blumenstilleben ist ein wunderbares Zeugnis dafür, dass Corinth in seiner späten Schaffenszeit zu einer ungeheuren Souveränität und Freigiebigkeit im Umgang mit der Farbe gelangt, die ihm von Anbeginn ein wesentliches Gestaltungsmittel ist.
Obwohl Corinth zu Lebzeiten ein sehr angesehener Künstler in Deutschland war, werden insbesondere seine späten Bilder von den Nationalsozialisten als "entartet" gebrandmarkt. So wird eine große Anzahl seiner Bilder in deutschen Museen beschlagnahmt. Auch viele Gemälde, die sich in jüdischen Sammlungen befinden, werden in den 1930/1940er Jahre geraubt oder durch Notverkäufe verstreut. Ein solches Schicksal erlitt auch unser Gemälde, denn es wird nach erfolgreicher Restitution durch die Königlichen Museen in Brüssel zum Verkauf angeboten.
Die ursprünglich in Frankfurt am Main ansässige Familie Mayer, welche im Im- und Export von Wild und Geflügel tätig war, emigrierte aufgrund ihrer jüdischen Herkunft zunächst nach Brüssel, doch auch dort marschierten die Deutschen ein. 1939 konnte sich die fünfköpfige Familie zwar nach England absetzen - einen Teil ihrer Besitztümer musste sie jedoch in einem Lagerhaus in Brüssel zurücklassen, wo sie während der deutschen Besatzungszeit zwischen 1940 und 1944 beschlagnahmt wurden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gemälde von dem Kunstexperten Leo Van Puyvelde geborgen. Er gehörte einem Alliierten Komitee zum Schutz und zur Restitution von Kulturgütern an. 1951 schließlich wurde das Stillleben den Königlichen Museen in Brüssel übergeben, da die ursprünglichen Besitzer nicht ausfindig gemacht werden konnten.
Es ist das erste Gemälde überhaupt, das aus dem Bestand des Museums an die rechtmäßigen Erben zurückgegeben wird und markiert daher einen Meilenstein in der Restitutionsgeschichte Belgiens. Zugleich ist es das bisher einzige von 30 verschollenen Gemälden aus dem Besitz Gustav und Emma Mayers, welches identifiziert werden konnte. Die neun Erben, die sich heute in den USA, Großbritannien und Südafrika befinden, sind weiter auf der Suche nach den verbliebenen 29 Gemälde aus der Sammlung ihrer Vorfahren, u.a. von Künstlern wie Liebermann, Camoin, Trübner, Leistikow und Zügel.
Robert van den Valentyn
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01.06.2022,
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