Modern | Post War | Contemporary | Galerie Michael Schultz
am
01.06.2022,
Los
164
Taxe: € 20.000
Ergebnis: €
56.760
(inkl. Aufgeld)
IKEMURA, LEIKO
Tsu, Mie-Ken/Japan
Titel: Figur in Blau.
Datierung: 1996.
Technik: Öl auf Leinwand.
Maße: 70 x 70cm.
Bezeichnung: Mit Werk-Nr. bezeichnet und signiert verso auf umgeschlagener Leinwand: M - 96 - 92 Ikemura.
Rahmen/Sockel: Kastenrahmen.
Provenienz:
- Galerie Karsten Greve, Köln (Aufkleber)
- Privatsammlung Nordrhein-Westfalen
Ausstellungen:
- Museum für Oatasiatische Kunst, Köln 2015/16
- Sainsbury Center for Visual Arts, Norwich/England 2021
Literatur:
- Ausst.-Kat. Museum für Ostasiatische Kunst, Köln 2015, S. 229
- Ausst.-Kat. Sainsbury Centre of Visual Arts, Norwich/England 2021, S. 254
- Ausdrucksstarke Gemälde aus der berühmten 1995 begonnenen Werkreihe der schwebenden Mädchenfiguren auf farbigem Grund
- Gezeigt in zwei bedeutenden, retrospektiv angelegten Museumsausstellungen
- Zeugnisse der Auseinandersetzung Leiko Ikemuras mit der weiblichen Identität, die bestimmend für ihr Gesamtwerk ist
Die folgenden drei ausdrucksstarken Bildnisse mädchenhafter Mischwesen, geisterhaft schwebend auf feuerrotem, ockergelbem und leuchtend blauem Grund sind Zeugnisse zentraler Wesenszüge im Werk der in Japan geborenen und weltweit renommierten Künstlerin Leiko Ikemura.
So verwundert es nicht, dass die Dreiergruppe in jüngerer Zeit in zwei retrospektiv angelegten Museumsausstellungen zu sehen war.
Den Titel "Alles über Mädchen und Tiger" der Ausstellung 2015/2016 im Museum für Ostasiatische Kunst in Köln hat Leiko Ikemura selbst gewählt. In ihrem sich seit nunmehr 40 Jahren entwickelnden Werk erkundet Ikemura Vorstellungen von der weiblichen Identität. Ab den frühen 1990er Jahren tritt das Weibliche in Gestalt von Mädchenwesen als wichtiges Motiv in Erscheinung. Die Künstlerin spürt den transitorischen Stadien zwischen Kindheit und Erwachsenwerden nach, ein Terrain in der Entwicklung der Persönlichkeit, das noch durch unreflektiertes Sein, aber auch ein Bewusstwerden des Selbst im Verhältnis zur Umgebung und damit einhergehend durch Unsicherheit geprägt ist.
Ikemura versinnbildlicht dieses Zwischenreich durch Wesen, die sie als "Girls" bezeichnet. Häufig befinden sich Ikemuras Mädchen in schwerelosem Zustand in einem monochromen Farbraum ohne den Boden zu berühren. Die ätherisch wirkenden Kreaturen zeigen teils menschliche Züge, sind in ihrer Erscheinung aber nicht eindeutig greifbar und geben Rätsel auf, indem sie auch Assoziationen an Tierwesen und Pflanzenformen wecken.
Mädchenhafte, hybrid wirkende Wesen blicken uns verletzlich an, zugleich aber auch trotzig und kämpferisch. In ihrer Unbestimmtheit liegt ein besonderer Reiz. Als hybride Wesen vermitteln sie ein Gefühl der Entfremdung und Verfremdung. In ihrer Erscheinungsform sind Ikemuras Mädchen eine Herausforderung an künstlerische Konventionen und soziale Normen zur Darstellung des Weiblichen. Ikemuras Mädchenwesen sind eine so poetische wie entschiedene Alternative zur idealisierten weiblichen Schönheit wie sie in zeitgenössischer Popkultur propagiert wird. Ihre schwebende Körperlosigkeit gepaart mit ihrem kraftvollen Ausdruck lässt diese Mädchen wie ein wissender, zorniger Kommentar auf populäre Klischees von Weiblichkeit wirken, etwa auf die in der japanischen Manga-Kultur zu findende Infantilisierung und Verniedlichung des Weiblichen.
Die Vorstellung von der Verschmelzung des Menschen mit der Natur und dem Kosmos kann gleichzeitig Zuversicht spenden. Das Geisterhafte ihrer Mädchenfiguren offenbart auch Leiko Ikemuras Verbundenheit mit der Naturphilosophie ihrer japanischen Heimat ohne dabei Plattitüden zu asiatischen Sinnbildern zu bedienen. Sie sieht Eurozentrismus in der Kunst kritisch, ohne plakativ oder mahnend zu sein. Im Werk von Ikemura verschwimmen Grenzen - zwischen japanischen und europäischen kulturellen Traditionen, zwischen Abstraktion und Figuration, zwischen Mensch und Natur, mystischer Erzählung und Realität. Ikemura überwindet in ihrer Kunst Stereotypen. Im Zentrum stehen die beständige Transformation, der Fluss der Veränderung, die das Menschsein ausmachen.
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