1808 München - 1885 München
Fine Art
am
17.05.2024,
Los
1133
Taxe: € 30.000
Ergebnis: €
39.600
(inkl. Aufgeld)
SPITZWEG, CARLMünchen 1808 - 1885
Titel: Drei Schulmädchen rastend.
Drei Mädchen sitzend im Gespräch, im Hintergrund ein Pfad und ein Gattertor, rechts Baumkulisse und Marterl.
Datierung: Um 1875.
Technik: Öl auf Holz.
Maße: 21,5 x 13,5cm.
Rahmen: Rahmen.
Rückseitig:
Auf der Tafel (ehemaliger Deckel einer Zigarrenkiste von H. Upmann) Nachlassstempel sowie auf dem Rahmen Ausstellungsetikett Haus der Kunst, München.
Literatur:
S. Wichmann: Carl Spitzweg. Verzeichnis der Werke - Gemälde und Aquarelle, Stuttgart 2002, WVZ-Nr. 914, S. 387f mit Abb.
S. Wichmann: Carl Spitzweg. Kunst, Kosten und Konflikte, Frankfurt am Main 1991, S. 244 mit Abb.
S. Wichmann: Carl Spitzweg und die französischen Zeichner Daumier, Grandvile, Gavarni, Doré. Katalog zur Ausstellung im Haus der Kunst München 23.11.1985 - 02.02.1986, Nr. 625 mit Abb. S. 340.
Wichmann gibt in seinem Werkverzeichnis zu Spitzweg an, dass zu dem hier vorliegenden Gemälde auf Holz in einem der Skizzenbücher von 1869 eine sehr genaue Vorzeichnung existiert. Bei unserer in Öl ausgeführten Arbeit ist deutlich zu sehen, "daß der Maler bemüht war, das Thema zu variieren, obwohl er an den Kompositionselementen festhielt."
Provenienz:
Privatbesitz, Deutschland.
Carl Spitzweg ist neben Caspar David Friedrich wohl der populärste deutsche bildende Künstler des 19. Jahrhunderts. Der Maler des "Armen Poeten" oder des "Kakteen-Freundes" hat mit seinem liebevollen Blick auf die von ihm geschilderten Menschen und Situationen die allgemeine Vorstellung von der Zeit des Biedermeier maßgeblich geprägt.
1808 in eine wohlhabende Münchener Kaufmannsfamilie hineingeboren, wuchs Carl Spitzweg behütet auf. Der bayerischen Hauptstadt blieb er sein Leben lang treu; hier erlernte er den Beruf des Apothekers und schloss das Studium der Pharmazie, Chemie und Botanik "mit Auszeichnung" ab. Doch schon ein Jahr später, 1833, beschloss der junge Mann, der schon immer gerne gezeichnet hatte und auch kreativ schrieb, sich ganz der Malerei zu widmen.
Durch Erbschaften war Spitzweg finanziell unabhängig und gab sich selbst eine Frist von 15 Jahren, um sich im unsicheren Künstler-Dasein zu erleben und zu behaupten. Sollte dies nicht gelingen, plante er, mit 40 Jahren zurück ins Apotheker-Fach zu wechseln.
Ein Freundeskreis von Malern, unter anderem Christian Heinrich Hansonn (1791 - 1863), Eduard Schleich d.Ä. (1812 - 1874) und Heinrich Heinlein (1803 - 1885) gaben dem Autodidakten wertvolle Ratschläge und bestärken ihn in seinem Entschluss.
Und Carl Spitzweg hatte recht schnell Erfolg; seine oft kleinformatigen, auf eine neue Käuferschicht aus dem Bürgertum abzielenden Werke verkauften sich bald gut. Als Mitglied des jungen Münchener Kunstvereins etablierte er sich weiter in der Künstlerschaft und bekam Aufträge als Illustrator und Autor von der humoristischen Wochenzeitschrift "Fliegende Blätter".
Der standorttreue und ungemein fleißige Maler war aber vor allem auch ein häufig reisender, für Neuerungen in der (Kunst-)Welt offener Geist. Mit seinen Künstlerfreunden - vor allem mit Eduard Schleich d.Ä. - unternahm er unzählige Reisen und ausgedehnte Wanderungen. Jedes Jahr sammelte er so Eindrücke in Bayern, dem Alpenraum, in Oberitalien oder auch in Dalmatien.
Eine für sein künstlerisches Schaffen besonders wichtige Reise führte Carl Spitzweg zusammen mit seinem Bruder und mit Eduard Schleich d.Ä. 1851 zunächst nach Paris und von dort zur ersten Weltausstellung nach London. In Paris begeisterten ihn die Werke in den großen Kunstsammlungen, vor allem aber nahm er Kontakt zu den Künstlern der Schule von Barbizon auf, die er auch im Wald von Fontainebleau aufsuchte.
Das unmittelbare Malen in der Landschaft, der daraus folgende neuartige Umgang mit Licht und Schatten, der nicht-lineare, malerische Umgang mit der Farbe und auch der bühnenhafte Aufbau der Landschaften, wie ihn die Gruppe um Théodore Rousseau, Camille Corot und Charles Francois Daubigny praktizierte, dies alles beeindruckte und faszinierte Spitzweg. Die anschließende Konfrontation mit Werken William Turners in London führte sein künstlerisches Tun in dieselbe Richtung.
Im Werk Carl Spitzwegs gibt es viele Gemälde, die den Einfluss dieser Reise von 1851 unmittelbar reflektieren. So auch das hier vorliegende Werk "Drei rastende Schulmädchen". Wie auf einer Bühne sitzen die drei auf einer Böschung. Die enge Wald-Szenerie mit dem in den Hintergrund aufsteigenden Pfad und dem parallel dazu plätschernden Bach im Vordergrund links, bildet einen lauschigen Winkel. Hier können die Freundinnen ungestört plaudern. Die Farben ihrer Röcke und Schürzen und die hellen Oberteile und Kopfbedeckungen setzen Akzente in der weitgehend im Schatten liegenden Umgebung. Ein kleiner Ausschnitt des Himmels ist in der oberen linken Bildecke zu sehen. Sommerlich helles Licht streift nur die linke Seite des aufsteigenden Hangs. Der Bildstock am Wegesrand, am rechten Bildrand, tritt farblich ganz zurück. Im Sinne der Künstler von Barbizon handelt es sich wahrhaftig um eine "paysage intime".
Obschon die Figuren fast ohne jede Binnenzeichnung ganz malerisch angelegt sind, gelingt es Carl Spitzweg, dem Meister der psychologischen Typisierung, einiges über die drei Mädchen auszusagen. Körperhaltung, Kontur und Sitzposition charakterisieren die Kinder und ihre Beziehung untereinander. Das atmosphärische, leicht schummrige Licht und die Abgeschiedenheit der Szene, mag beim Betrachter Erinnerungen an die eigene Kinderzeit heraufbeschwören, an unbeschwerte und unbeobachtete Momente mit den besten FreundInnen.
In den 1860er und 70er Jahren hat Carl Spitzweg das Thema der (Schul-)Kinder im Wald häufig variiert. Siegfried Wichmann datiert dieses besonders stimmungsvolle Gemälde, das wie so viele Werke Spitzwegs auf dem Deckel einer Zigarrenkiste gemalt wurde, auf die Zeit um 1875.
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