Franz Radziwill - Die Zeit des Falterflugs, 56907-3, Van Ham Kunstauktionen
Franz Radziwill: Die Zeit des Falterflugs aus unserer Rubrik: Mod. Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle
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Franz Radziwill - Die Zeit des Falterflugs

1895 Strohhausen/Wesermarsch - 1983 Wilhelmshaven

Moderne und Zeitgenössische Kunst (25.+26.11.2015)
am 25.11.2015, Los 82
Taxe: € 80.000
Ergebnis: € 103.200
(inkl. Aufgeld)

Radziwill, Franz
1895 Strohhausen/Wesermarsch - 1983 Wilhelmshaven

Die Zeit des Falterflugs. 1944. Öl auf Leinwand. 94,5 x 95cm. Signiert links unterhalb der Skulptur: Franz Radziwill. Bezeichnet verso 326 (Werknummer). Rahmen.

Die Maler ergänzte die Komposition nach 1965 mit Übermalungen, so die quadratischen Gehwegplatten, die Statue und die beiden Schemen oben rechts.

Der Maler führte das Bild unter der Nr. 326 in seiner Liste Nr. 4 mit dem Titel "Landschaft mit Schloß" auf.

Provenienz:
Helmut Schelsky, Münster
Galerie Michael, Heidelberg
Galerie Sander, Darmstadt
Privatsammlung Baden-Württemberg
Privatsammlung Schweiz

Ausstellungen:
Landesmuseum, Oldenburg 1946, Kat.-Nr. 46
Museum, Goslar 1952, o. Nr.
Stadtmuseum, Oldenburg und Goslar 1960, o. Kat.-Nr. (Der Falterflug 1943), o. Abb.
Franz-Radziwill-Haus, Varel-Dangast 1987, o. Kat.-Nr., Farbabb. 38
Galerie Michael, Heidelberg 1994, o. Kat.-Nr.

Literatur:
Firmenich, Andrea/Schulze, Rainer: Franz Radziwill - 1885-1983, Köln 1995, Nr. 533
Chmielewski, Iko: Franz Radziwill - Übermalungen in seinen Werken, Magisterarbeit, Universität Oldenburg 1989, S. 121
Repke, Bernhard: Franz Radziwill und seine Bilder, Auszug aus dem Tagebuch des Autors, in: Kalligraphie mit handgezeichneten Illustrationen, Hannover 1947, S.

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Der Maler Franz Radziwill befand sich im Sommer 1944 - zur "Zeit des Falterfluges" - in besonderer Situation. Eben hatte er ein "Selbstbildnis" beendet, das ihn in altmeisterlicher Pose vor grünem Himmel zeigt, eine leuchtend rote Kappe auf dem Kopf. Mit abweisendem Blick schaut der 49jährige auf den Betrachter. Alles an ihm schafft Distanz. Kein Anhaltspunkt für eine Annäherung, keine Chance für eine psychologisierende Interpretation. Was von Bedeutung ist, formt nicht sein Gesicht. Das eigentliche Geschehen ereignet sich im Hintergrund: Eine Stadt an einem See vor imposantem Berg unter einem weiten Himmel. Dort eine Arabeske, eine ornamentale Figur, rätselhaft, unergründlich - ebenso ein aufgehender Stern. Eine Muschel, die als "Ohrmuschel" gelesen werden kann, erweitert das Sehen um das Hören. Typisch Radziwill: Dieses Vokabular stammt aus den Erfahrungen eines Malers, der in Dangast am Südrand der Nordsee einer mächtigen Natur begegnet, die in fremden Buchstaben das ferne Nordlicht, das Tosen des Sturms, die großen Rhythmen von Ebbe und Flut, Winter und Sommer, Leben und Vergehen dekliniert. Der Mensch sucht Schutz im Schatten eines Bergwächters und lebt zugleich im Spannungsfeld von Geborgenheit und Bedrohung. Solche Chiffren einer größeren Wirklichkeit drangen seit 1944 vermehrt in die bildnerischen Schöpfungen Radziwills ein - auch in das Gemälde "Die Zeit des Falterfluges." In ihm versammeln sich alle Elemente, die sein Werk umreißen: Da zerschneiden Mauern und Dämme aus Bockhorner Klinker die Fläche, erzwingen ein "Davor" und "Dahinter". Zur Marmorfigur erstarrt, überragt ein Signal von der anderen Seite der Wirklichkeit das Trennende. Da versammeln sich Häuser verschiedenster Epochen als Zeugen, als Zuflucht: Immer suchte der Mensch Geborgenheit, suchte einen Lebensmittelpunkt, von dem alle Wege ausgehen und zu dem sie auch wieder zurückführen. Niemand hat das intensiver erfahren als der Maler, Maurer, Architekt Radziwill selbst, der im März 1923 nach Dangast kam, ein Haus kaufte - und blieb. Sechzig Jahre bis zu seinem Tod im August 1983. Er weiß, wovon er malt: Selten trugen Hausmauern ein solches Gelb, ein solches Blau. Da finden sich verstörende Zeichen im schwarzen Wasser, Abschattungen von was? Es finden sich Blumenblätter im Himmel, die schon bald als tödliche Bombenfracht herabstürzen. Und da finden sich jene übergroßen "Falter", Zeichen nochmals einer allem innewohnenden Bedrohung, einer überall lauernden Katastrophe. Wenn ihre "Zeit" gekommen ist - und sie wird kommen - "entfalten" sich ihre Flügel: Der Schmetterling entlässt schwarze Ungeheuer. Der Künstler selbst hat diese "Brüchigkeit des Daseinsfeldes" zusammengefasst: "Je aufmerksamer das Auge wird, um so hintergründiger erscheint die Wirklichkeit." Dieser Maler vermag das Unfassbare zu fassen. Er kennt die Dramatik der Stille. Sie formt die Landschaft, gerade auch in diesem Gemälde. Werner Haftmann hat das verstanden: "Unter Radziwills Bildern sah man [...] merkwürdig idyllische und doch von apokalyptischen Schauern durchwirkte und nur scheinbar romantische Landschaften, [...] mit bemerkenswertem Können gemalt, wahrhaft "altmeisterlich", was den instabilen halluzinatorischen Untergrund noch verstärkte." (Prof. Dr. Dr. Gerd Presler, 2015).

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363. Moderne und Zeitgenössische Kunst (25.+26.11.2015),
am 25.11.2015, Los 82
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