1887 Meschede - 1914 Perthes-les-Hurlus
Modern | Post War | Contemporary
am
27.11.2024,
Los
12
Taxe: € 280.000
MACKE, AUGUST
1887 Meschede - 1914 Perthes-les-Hurlus
Titel: Stillleben mit Körben.
Datierung: 1911.
Technik: Öl auf Leinwand.
Maße: 48 x 60,5cm.
Rahmen/Sockel: Rahmen.
Signiert und datiert rechts mittig Amacke 1911. Bezeichnet verso von fremder Hand (vermutlich Wolfgang Macke): A. MACKE 1911 Stilleben mit Körben. Zudem von fremder Hand bezeichnet auf dem Keilrahmen mit Titel, Datierung und Vriesen-Nr. 252. Fünf Nachlassstempel auf Leinwand und Keilrahmen. Zwei Rundstempel auf Leinwand und Keilrahmen, der untere leserlich: Budapesten. Bezeichnet auf Keilrahmen oben: B8786. Ausstellungsaufkleber: 48.
Provenienz:
- Nachlass August Macke (Stempel)
- Privatsammlung (1957)
- Sammlung Dr. Walter Kaminsky, Düsseldorf (1958)
- Van Ham Kunstauktionen, Köln, 248. Auktion, 31.05.2006, Lot 376
- Privatsammlung Düsseldorf
Ausstellungen:
- Galerie Thannhauser, München 1912
- Suermondt-Museum, Aachen 1948, Kat.-Nr. 26
- Braunschweiger Kunstverein, 1954, Kat.-Nr. 32
- Westfälischer Kunstverein/Westfälische Wilhelms-Universität/Westfälisches Landesmuseum, Münster 1957
- Museum Lindau, 2018
Vermutlich wurde das Werk in der Galerie Max Goldschmidt, Frankfurt a.M., März 1913, der Galerie Der Sturm, Berlin, März 1913 sowie März/April 1915 und der International Exhibition of Postimpressionism, Müvcszhäz, Budapest, Mai 1913 ausgestellt.
Literatur:
- Heiderich, Ursula: August Macke - Gemälde, Werkverzeichnis, Ostfildern-Ruit 2008, WVZ.-Nr. 315, Abb.
- Vriesen, Gustav: August Macke, Stuttgart 1953, S. 321, WVZ.-Nr. V 252, Abb.
- Ausst.-Kat. August Macke, Gedenkausstellung zum 70. Geburtstag, Westfälischer Kunstverein/Westfälische Wilhelms-Universität/Westfälisches Landesmuseum, Münster 1957, Kat.-Nr. 31
- Heiderich, Ursula: August Macke, Die Skizzenbücher, Bd. II, Stuttgart 1987, S. 913, S. 1019
- Ausst.-Kat. August Macke, Flaneur im Garten der Kunst, Museum Lindau, Lindau 2018, S. 68 f, Kat.-Nr. 14
- Seltenes Stillleben aus einer höchst innovativen Periode in seinem Schaffen, in der einige seiner stärksten Werke entstanden
- 1911 schließt sich Macke der Münchner Künstlergruppe "Der Blaue Reiter" an
- Die farbintensiven und flächigen Formen zeigen den deutlichen Einfluss der Malerei von Henri Matisse in dieser Zeit
Macke und Matisse
Das 1911 entstandene Gemälde "Stillleben mit Körben" wurde wahrscheinlich von Macke in seinem Bonner Atelier nach seiner Rückkehr aus Süddeutschland gemalt - eine neue und entscheidende Phase, in der er den Einfluss der zeitgenössischen französischen Malerei auf seine Kunst kritisch überdachte und sein eigenes, individuelles Bildvokabular auf der Grundlage einer einzigartigen Synthese von Form und Farbe entwickelte.
Anfang 1908 hatte Macke damit begonnen, Fauve-Motive aufzunehmen und Matisse' Verwendung von Raum und Farbe zu analysieren. Sein zweiter Aufenthalt in Paris 1908 und sein dritter Aufenthalt 1909 ebenfalls in Paris verschafften ihm eine tiefere Kenntnis der zeitgenössischen Avantgarde-Experimente. Die entscheidende Auseinandersetzung um die Ausdruckskraft der reinen Farben erreichte jedoch erst 1910 ihren Höhepunkt, als Macke am Tegernsee mit Franz Marc die neuesten Entwicklungen der französischen Gegenwartsmalerei ausgiebig diskutierte. Dort fertigte Macke eine Reihe von Skizzen an (Skizzenbuch Nr. 38, veröffentlicht in Heiderich, U.: August Macke - Die Skizzenbücher, Bd. II, Stuttgart, 1987, S. 819-835), die von der deutschen Ausgabe von Matisse' "Notes d'un peintre" (erschienen in "La Grande Revue", Paris, Dez. 1908) inspiriert waren.
Im Februar 1910 reiste Macke nach München, wo er die in der Galerie Thannhauser ausgestellten Werke von Matisse sah und besonders von einem Gemälde von 1904, "Saint Tropez, La Terrasse" (Boston, Isabella Stewart Gardner Museum), beeindruckt war, das er in sein Skizzenbuch kopierte (Seite 78 des Skizzenbuchs Nr. 38) und in seinem wunderbaren Bild "Unser Garten mit blühenden Rabatten" (1912, Privatsammlung) weiterverarbeitete.
"Der Blaue Reiter", 1911 gegründet, zählte Künstler wie Franz Marc, Wassily Kandinsky und Alexej von Jawlensky zu seinen Mitgliedern und betonte die Manifestation leuchtender Farben in seinem Werk. Doch Macke entfernte sich allmählich von den fast abstrakten, geometrisch inspirierten Kompositionen des "Blauen Reiter" und wandte sich einem neuen, weichen und frei fließenden Stil zu.
Mackes in Bonn entstandene Atelierbilder haben eine Einfachheit und zugleich eine Monumentalität, die seine Kollegen vom "Blauen Reiter" nicht kannten. Macke begann auch, eine dramatischere Perspektive zu entwickeln, indem er seine Vertiefungen abflachte und breite Farbflächen verwendete, ganz im Sinne der Experimente von Matisse aus der gleichen Zeit. Mackes Stillleben aus dem Jahr 1911 spiegeln in hervorragender Weise das Interesse des Künstlers an Kompositionen wider, die auf farbigen Flächen basieren, in denen das Interesse am Ornament klar erkennbar ist und die räumlichen Werte durch die Farbe definiert werden.
"Stillleben mit Körben"
Unser Gemälde "Stillleben mit Körben" setzt diesen neuen Kompositionsstil in Szene: Dominierende hellgrüne und dunkle Farben eines Baumes vor einer vermutlich scharf angeschnittenen Lichtquelle in einer Gartenlandschaft verleihen dem Bild eine magisch anmutende Tiefe. Im farblich komplementären Kontrast hierzu sind die beiden Körbe, zwei Äpfel und das weiße Tuch auf einer blutroten kreisrunden Platte positioniert. Die Tischplatte scheint von der Gravitation befreit über einem blau-weiß-schwarzem Fluidum zu schweben. Macke verzichtet auch bei der perspektivischen Gestaltung des Tischtuchs auf Schattierungen, wie sie die klassische Malerei kennt, und ersetzt den Faltenwurf durch Umrisslinien ganz im Sinne von Matisse. Diese neue Art von perspektivischer Gestaltung wendet Macke seit 1911 konsequent an und sie findet fortwährende Anerkennung, wie Auktionsergebnisse nachweisen.
Das bei Sotheby's im Februar 2008 versteigerte Stillleben (Abb. 1) hat vieles mit unserem Gemälde gemeinsam. Umrisslinien spiegeln Perspektiven vor, die Apfelschale droht abzustürzen, und der Fächer wird von einer grünen Leere abgestützt.
Zeitlich ist unser Gemälde in die zweite Hälfte des Jahres 1911 einzuordnen, als sich Macke in seinem Bonner Atelier vorwiegend der Leinwand als Malträger zuwendet. Zwar erzeugt die Malpappe eine tiefere Resonanz der verwendeten Farben, aber das war angesichts des neuen Kompositionsstils nicht mehr erforderlich. Das im Oktober 1999 bei Christie's in London versteigerte Stillleben (Abb. 2) verdeutlich diesen Wandel. Vermutlich zu Anfang des Jahres 1911 entstanden verwendet Macke hier einen Malkarton als Malträger.
Die Farben erscheinen satter, die räumliche Tiefe erzeugt Macke noch durch die Anordnung der Gegenstände, aber klare Umrisslinien sind schon wesentliches Gestaltungsmittel. Hier noch eher traditionell angelegt, reiht sich Macke wenige Monate später mit unserem Stillleben und dem "Japanischen Fächer" in die Avantgarde ein.
Johann Herkenhöner
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