1881 Karlsruhe - 1939 Berlin
Modern | Post War | Contemporary Art
am
05.06.2023,
Los
22
Taxe: € 70.000
Ergebnis: €
79.200
(inkl. Aufgeld)
KANOLDT, ALEXANDER
1881 Karlsruhe - 1939 Berlin
Titel: Il Paese di Bellegra I.
Datierung: 1924.
Technik: Öl auf Leinwand.
Maße: 43 x 64cm.
Bezeichnung: Signiert und datiert unten links: Kanoldt 1924. Verso auf dem Keilrahmen bezeichnet: Kanoldt 1924 Il Paese di Bellegra.
Rahmen/Sockel: Künstlerrahmen.
Provenienz:
- Albi v. Przybram, München
- Privatsammlung Zürich
- Galerie Gunzenhauser, München
- Sammlung Peter Koch, Hamburg
- Privatsammlung Norddeutschland
Ausstellungen:
- München 1925, Kat.-Nr. 8
- XVIa Biennale Internazionale d' Arte, Venedig 1928, Kat.-Nr. 63, Abb. S. 147 (Aufkleber)
- Galerie Gunzenhauser, München 1981, Kat.-Nr. 2
- Museum für Neue Kunst, Freiburg i. Br./Von der Heydt-Museum, Wuppertal 1987, Kat.-Nr. 43, Abb. S. 23, 143
Literatur:
- Koch, Michael: Alexander Kanoldt, 1881 - 1939 - Werkverzeichnis der Gemälde, München 2018, WVZ.-Nr. WV 24.6, Abb.
- Mayer, Alfred: Alexander Kanoldt, in: Deutsche Kunst und Dekoration 56, 1925, S. 154, Abb.
- Roh, Franz: Alexander Kanoldt, in: Der Cicerone 18, 1926, S. 482, Abb.
- Sauerlandt, Max: Die Kunst der letzten 30 Jahre, Berlin 1935, S. 256, Abb.
- Fischer-Hollweg, Brigitte: Alexander Kanoldt und die Kunstrichtungen seiner Zeit, Diss.
Universität Bochum 1971, S. 59, 109, Kat.-Nr. M 62
- Ausst.-Kat. New York/Cambridge/Stuttgart: German Realist Drawings of the 1920s, Cambridge/MA 1986, Kat.-Nr. 27, S. 70, Abb.
- Heinzelmann, Markus: Die Landschaftsmalerei der Neuen Sachlichkeit und ihre Rezeption zur Zeit des Nationalsozialismus, Frankfurt a.M. 1998, Kat.-Nr. 10, S. 88, 142, Abb.
- Riccardi, Domenico: Olevano e i suoi pittori. Gli artisti di lingua tedesca (Germania, Austria, Svizzera) delle fine del Settecento al 1850 nei monti degli Equi, Rom 2004, Kat.-Nr. 106, S. 104, Abb.
- Ausst.-Kat. Murnau: Alpenglühen. Die Berglandschaft als Sehnsuchtsort, Gmund 2013, Kat.-Nr. 4, S. 60, Abb.
- Gemälde von 1924, der gefragten Hochphase des Künstlers
- Meisterhafte Landschaftskomposition im neusachlichen Stil
- Kanoldt vermag seinen kühlen, stilisierten Wirklichkeiten immer eine geheimnisvolle Ruhe und Melancholie einzuhauchen
Auf der Suche nach einer Bildsprache, die seinen Empfindungen Ausdruck verleiht, wendet sich Alexander Kanoldt nach seinem Kunststudium in Karlsruhe (1899-1907) von der akademisch-naturalistischen Malweise ab. Gleichgesinnte findet er zunächst in der "Neuen Künstlervereinigung München" (1909-1912), deren Gründungsmitglied er ist. Anders als etwa Wassily Kandinsky interessiert sich Kanoldt jedoch wenig für das Experimentieren mit den Ausdrucksmitteln der Abstraktion. Er hält an der gegenständlichen Malerei fest, die er mit einem malerisch-leuchtenden Kolorit versieht. Nach der Auflösung der Gruppe geben ihm die frühkubistischen Werke Georges Braques, Pablo Picassos und vor allem André Derains wichtige Impulse. In den folgenden Jahren malt er Kompositionen mit kubistisch vereinfachtem und strengem Aufbau. Um 1920 nimmt er dann Ideen von den italienischen Künstlern der "Valori Plastici" auf, die eine Rückkehr zur Gegenständlichkeit in neuklassischer Auffassung fordern. So überträgt er nun die unmittelbare Naturanschauung in eine strenge Tektonik und plastische Präsenz, wobei er der Dingwelt durch das Negieren jeglichen narrativen Moments eine unverrückbare Dauer verleiht. Mit diesen Bildern wird Kanoldt zum Mitbegründer und wichtigsten Vertreter der "Neuen Sachlichkeit".
Neben Stillleben nehmen Landschaftsdarstellungen eine herausragende Position in Kanoldts Werk ein. Hierbei ist er besonders geprägt von den Städten und der Landschaft des italienischen Latiums. Wie schon sein Vater, der ebenfalls als Künstler tätig war, bereist er kleine Bergdörfer Italiens, die umgeben sind von den Ausläufern der Abruzen und den Sabiner Bergen und findet so Mitte der 1920er Jahre zu seinem typischen markanten Malstil. Diese Jahre führen zu einem unumstrittenen Höhepunkt seiner Karriere: Neben Max Beckmann ist er mit den meisten Werken auf der für diese Stilrichtung namensgebenden und gefeierten Ausstellung 1925 in der Mannheimer Kunsthalle vertreten.
In dem hier vorgestellten Gemälde "Il paese di Bellegra I" aus dem Jahr 1924, sowie in einem zeitgleich entstandenen Gemälde und einer Lithografie, widmet sich Kanoldt dem Panorama von Bellegra, einer kleineren Gemeinde östlich von Rom. Auf einer Berglandschaft aus flächigen Schattierungen in Braun, Ocker, Rot und Grüntönen sowie einem kantigen Felsen in Grautönen, thront über allem die Stadt Bellegra.
Die Landschaft, fast die gesamte Bildfläche einnehmend, strahlt in ihrer farbigen Schattierung eine warme Ruhe aus, während ihr auf der linken Seite eine harte Gesteinsformation entgegensteht. Die Landschaft scheint fast wie eine Erdkruste gen Himmel aufzubrechen. Betont wird hier die beeindruckende Größe und Dominanz der Berge. Das gleichsam ruhige und kantige Terrain gipfelt in der kleinen Ortschaft, umgeben von einem strahlend blauen Himmel, der zum linken Bildrand über dem Felsgestein konturierte Wolken bildet. Gleichwohl schützend als auch geheimnisvoll wirkt das in der Ferne am oberen Bildrand ruhende Dorf. In dem vom unteren Bildrand nach rechts hinauslaufenden Weg geht etwas Beklemmendes und Unheimliches aus. In dieser Darstellung unterwirft Kanoldt das Motiv seiner gestalterischen Kraft: Farben, Formen und Komposition werden gebündelt zu Gunsten seiner Empfindung des Panoramas und so fängt Kanoldt in diesem Gemälde den mystischen Zauber des Bergdorfes ein, der jeden Betrachter in den Bann zieht.
Johann Herkenhöner
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