1881 Malaga - 1973 Mougins
Modern | Post War | Contemporary Art
am
05.06.2023,
Los
54
Taxe: € 1.500.000
Ergebnis: €
4.343.000
(inkl. Aufgeld)
PICASSO, PABLO
1881 Malaga - 1973 Mougins
Titel: Buste de femme.
Datierung: 1971.
Technik: Öl auf Leinwand.
Maße: 92 x 72,5cm.
Bezeichnung: Datiert verso oben links: 23.8.71.
Rahmen/Sockel: Modellrahmen.
Provenienz:
- Mme Jacqueline Picasso
- Galerie Louise Leiris, Paris (Aufkleber)
- Waddington Galleries Ltd., London (Aufkleber)
- Privatsammlung USA
- Privatsammlung Deutschland
Ausstellungen:
- Palais des Papes, Avignon 1973
- Kjarvalsstadir Museum, Reykjavik 1986
- Richard Gray Gallery, Chicago 1987 (Aufkleber)
Literatur:
- Zervos, Christian: Pablo Picasso - Vol. 33, Works from 1971 to 1972, Paris 2013, WVZ.-Nr. 156, Abb.
- Ausst.-Kat. Picasso (1970-1972). 201 Peintures, Palais des Papes, Avignon 1973, Kat.-Nr. 120, Abb. S. 141
- Alberti, Rafael: Picasso. Le rayon ininterromptu, Éditions Cercle D'Art, Paris 1974, Kat.-Nr. 39, Abb.
- Ausst.-Kat. Picasso - Exposition Inattendue, Kjarvalsstadir Museum, Reykjavik 1986, Kat.-Nr. 39, S. 86, Abb. (Hier betitelt mit "Jeune femme")
- Ausst.-Kat. Modern and Contemporary Masters, Richard Gray Gallery, Chicago 1987, Kat.-Nr. 16, Abb.
- Wofsy, Alan (Hrsg.): Picasso's Paintings, Watercolors, Drawings & Sculpture. A Comprehensive Illustrated Catalogue 1885-1973, Vol.
13, San Francisco 2004, Kat.-Nr. 71-258, Abb.
- Mallen, Enrique (Hrsg.): Online Picasso Project, Sam Houston State University 1997-2023
- Ein großformatiges Porträt seiner zweiten Ehefrau Jacqueline
- "Buste de femme" ist ein ausdrucksstarkes Spätwerk, mit den für Picasso so typischen verschobenen Perspektiven
- Das Gemälde stammt ursprünglich aus dem Nachlass von Jacqueline Picasso
- Erstmals auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten
- Weltweit aktuelle Ausstellungen zum 50. Todestag
Fast eine Grisaille ist dieses farblich so reduzierte, ungemein ausdrucksstarke Gemälde aus dem Spätwerk Pablo Picassos.
In der für ihn so typischen Art hat Picasso Profil und En-Face-Ansicht miteinander verschränkt: Die großen Augen unter hornartigen Augenbrauen - diese sind ein Charakteristikum Jacquelines - sind beide frontal zu sehen, das Nasenprofil ist nach rechts gewendet, Mund und Kinn nach links. Der untere Teil des Gesichtes erscheint als einziges Element des Gemäldes durch die gesetzte Schattierung plastisch gerundet. Diese Partie steht so, wie auch farblich, mit dem viel heller gehaltenen, pastos ausgeführten aber extrem flachen wirkenden oberen Teil in starkem Kontrast. Das gescheitelte Haar, auf kräftige parallele Linien reduziert, hinterfängt den Kopf und die Schultern wie ein Schleier. Indem die äußeren Linien der Haarkontur durch eine graue Linie verbunden sind, die unterhalb der, an einen Kragen erinnernden Brüste verläuft, bekommt das Porträt eine geschlossene, fast skulpturale Form. Die Vasenform des Gesichtes findet ihren unteren Abschluss in den beiden dunkelgrauen Streifen, die eine Halskette darstellen könnten.
Seit 1954 lebte Pablo Picasso mit der 44 Jahre jüngeren Jacqueline Roque zusammen, die er ein Jahr zuvor als Mitarbeiterin der Keramikwerkstatt "Madoura" kennengelernt hatte. (1) Sieben Jahre später, lange nach dem Tod von Picassos erster Frau, heirateten sie.
1971, als die "Buste de femme" entstand, konnte Picasso also auf eine lange gemeinsame Zeit an der Seite dieser Frau zurückblicken, die ihm Muse und Geliebte aber auch bedingungslose und selbstaufopfernde Assistentin, Managerin und Dienerin war. Sie erledigte alles, was den "Monseignieur", wie sie ihn nannte, von seiner Kunst abgehalten hätte. Was als so ungleiche Liaison zwischen dem viel älteren, reichen Megastar der Kunst und der geschiedenen, alleinerziehenden Sekretärin und Keramikverkäuferin begonnen hatte, wurde mit den Jahren zu einer intensiven Partnerschaft (fast) auf Augenhöhe: Das besitzergreifende Malergenie forderte die bedingungslose Selbstaufgabe der Frau, die ihn ihrerseits ganz für sich und seine Kunst vereinnahmte. In den letzten, in Südfrankreich verbrachten Jahren schottete Jacqueline ihren Mann vor der fordernden Öffentlichkeit aber auch vor seiner restlichen Patchwork-Familie rigoros ab.
Eine eindeutige Interpretation des Gesichtsausdruckes lässt Picassos Gesichtskomposition nicht zu. Ist da eine Melancholie in den Augen? Ein verschmitzter Zug um den Mund? Eine gewisse Schwere und Gelassenheit geht von der geschlossenen Komposition aus und ein ganz besonderer Reiz: Dekoltée und Brust der "Buste de femme" malte Picasso mit wenigen Pinselstrichen und Punkten in Ockergelb auf die ungrundierte "nackte" Leinwand. Diese Lichtreflexe scheinen punktuell im Haar und am Scheitel nochmals auf. Es entsteht eine Licht-Schatten-Atmosphäre. Kopf und Haare "Jacquelines" befinden sich im Schatten und sind somit völlig farblos, die gleißende südfranzösische Sonne bescheint nur ihre Brust und Dekoltee.
Jacqueline Picasso hat für die "Buste de femme" nicht Portrait gesessen. Von keiner seiner Frauen, Weggefährtinnen und Geliebten hat Picasso mehr Bildnisse geschaffen als von ihr. Er hat sie jedoch nie als Modell verharren lassen (2), sondern hat sie aus seiner Verinnerlichung heraus gemalt. (Abb. 2/3) Picasso bemüht sich in diesem Porträt nicht darum, Jacqueline objektiv abzubilden, er zeigt eine ganz subjektive Sicht auf seine letzte Liebe (3). In diesem Gemälde hat er die intensive Atmosphäre eines gemeinsamen Moments festgehalten.
Das Bild, das sich lange im Besitz Jacqueline Picassos befand, ist nicht signiert, weil es zu Lebzeiten des Künstlers nicht in den Verkauf gelangte. Rückseitig trägt es die genaue Datierung: "23.8.1971".
An demselben Tag malte Pablo Picasso ein weiteres Ölgemälde von identischer Größe: Den "Kopf eines Mannes" (4) (Abb. 1) Der Maler hat ihn mit derselben Palette aus Grau und Ockergelb gemalt wie die "Buste de Femme". Ist es ein Selbstporträt Picassos? Er trägt die Kopfbedeckung der spanischen Stierkämpfer, die Montera, die im Frauenbildnis eine Entsprechung in der gescheitelten Frisur aufweist. Aus der Brust der "Buste de Femme" ist nun ein wirklicher Kragen geworden.
Der Männerkopf ist deutlich malerischer ausgeführt. Unterstreicht bei der "Buste de Femme" der dünne Farbauftrag und die überwiegend glatte Oberfläche die skulpturale Geschlossenheit der Form, ist die Farbe hier pastos aufgetragen und die einzelnen Partien weisen eine sehr lebendige Binnenzeichnung auf.
Die beiden Köpfe sind einander nicht zugewendet, wie es bei einem klassischen Doppelbildnis der Fall wäre, bei dem die Werke nebeneinander hängen. Auch hier verlässt Picasso die Fläche. Er geht in den Raum: Denn in Beziehung zueinander treten diese beiden Bilder, wenn sie einander gegenüber platziert sind.
Pablo Picasso hat seine Werke als "Einträge in sein persönliches Tagebuch" (5) bezeichnet. Mit der "Buste de Femme" (und in dem Wissen um Ihr Gegenüber) können wir im 50. Todesjahr des Malergenies an der Atmosphäre im Haus Picassos teilhaben. (Alexandra Bresges-Jung)
(1) Zum Verhältnis Picasso - Jacqueline siehe Gropp, Rose-Maria: "Göttinnen und Fussabstreifer", Die Frauen und Picasso, München 2023
(2) Parmelin, Hélène: Bei Picasso, Berlin 1962 bzw. Picasso sagt., München 1967; zitiert nach Gropp, Rose-Maria: "Göttinnen und Fussabstreifer", Die Frauen und Picasso, München 1923S. 214
(3) Rubin, William: Picasso and Portraiture, London 1996, S. 13ff.
(4) Zervos, Christian: Pablo Picasso, Vol. 33, Nr. 157, S. 58, Abb.
(5) Hugues, Nancy/Widmaier Picasso, Olivier: Picasso - L'inventaire d'une vie, ARTE 2013
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Robert van den Valentyn
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