1874 Liebau/Schlesien - 1930 Breslau
Modern | Post War | Contemporary Art
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05.06.2023,
Los
12
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1.041.000
(inkl. Aufgeld)
MUELLER, OTTO
1874 Liebau/Schlesien - 1930 Breslau
Titel: Frau und Knabe (Mädchen und Knabe am Waldteich, Nach dem Bade).
Datierung: ca. 1922.
Technik: Leimfarbe auf Rupfen.
Maße: 150,5 x 98cm.
Bezeichnung: Monogrammiert unten rechts: OM.
Rahmen/Sockel: Modellrahmen.
Auf der Rückseite befindet sich ein weiteres Gemälde einer Szene von Badenden.
Für das hier angebotene Werk liegt eine Leihanfrage des LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster, für die 2024 geplante Retrospektive Otto Muellers anlässlich seines 150. Geburtstages vor.
Provenienz:
- Nachlass Otto Mueller
- Josef Mueller-Herbig, Karlsruhe/Lübeck
- Galerie Alex Vömel, Düsseldorf (Aufkleber; in Kommission von Josef Mueller-Herbig)
- Galerie Günther Franke, München
- Galerie Thomas, München (Aufkleber)
- Privatsammlung Nordrhein-Westfalen (seit 1978)
Ausstellungen:
- Galerie Alex Vömel, Düsseldorf 1952
- Galerie Günther Franke, München 1952
- Galerie Nierendorf, Berlin 1972
- Galerie Thomas, München 1988
- Museum Ostdeutsche Galerie, Regensburg 2002 (Aufkleber)
- Staatliches Museum Schwerin, 2002
- Nationalmuseum Breslau, 2002/03
- Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München 2003
- Museum Folkwang, Essen 2003
Literatur:
- Pirsig-Marshall, Tanja/Lüttichau, Mario-Andreas von: Otto Mueller - Catalogue Raisonné, Bd.
1, Gemälde/Paintings, Hrsg. Markus Eisenbeis, VAN HAM Art Publications, Köln 2020, WVZ.-Nr. G1922/03 (165), Abb.
- Lüttichau, Mario-Andreas von/Pirsig, Tanja (Hrsg.): Otto Mueller. Werkverzeichnis der Gemälde und Zeichnungen (CD-ROM), München 2003, Essen 2007/08
- Nachbaur, Wenzel: Otto Mueller Werklisten, Archiv Roman Norbert Ketterer, Davos 1950er, Abb.
- Erich Heckel: Verzeichnis der nachgelassenen Bilder, Zeichnungen und Drucke von Otto Mueller, aufgenommen durch den Maler Erich Heckel, Berlin 1931, Nr. 8
- Ausst.-Kat. Otto Mueller. Aus Besitz des Sohnes, Galerie Alex Vömel, Düsseldorf 1952, Kat.-Nr. 11
- Ausst.-Kat. Otto Mueller, Galerie Günther Franke, München 1952, Kat.-Nr. 5
- Ausst.-Kat. Otto Mueller. Gemälde, Aquarelle, Graphik, Galerie Thomas, München 1988, Abb.
- Berswordt-Wallrabe, Kornelia von (Hrsg.): Von Otto Mueller bis Oskar Schlemmer. Künstler der Breslauer Akademie, Hamburg 2002, Kat.-Nr. 75, S. 107, Abb.
- von Hohenzollern, Johann Georg/Lüttichau, Mario-Andreas von (Hrsg.): Otto Mueller. Eine Retrospektive, München 2003, Kat.-Nr. 60, S. 89, Abb.
- Besonders gefragte, monumentale Aktdarstellung vor expressiver Landschaft aus Otto Muellers Breslauer Schaffensphase
- Ursprünglich aus dem Besitz von Otto Muellers Sohn Josef, zuletzt seit über 40 Jahren in einer deutschen Privatsammlung
- Museales Beispiel in der von Otto Mueller selbst kreierten Leimfarbentechnik, die ganz charakteristisch für den speziellen, matten Eindruck seiner Gemälde ist
Otto Mueller, Frau und Knabe, 1922
Das Gemälde "Frau und Knabe", auch bekannt unter den Titeln "Mädchen und Knabe am Waldteich" oder "Nach dem Bade", stammt aus Muellers Breslauer Schaffensphase. Gleich nach seiner ersten großen, 37 Bilder umfassenden Einzelausstellung in der Galerie Paul Cassirer in Berlin 1919, folgte Mueller einem Ruf an die Breslauer Akademie. Ihr Direktor August Endell berücksichtigte damit einen Vorschlag Oskar Molls, der den Künstler für die freigewordene Stelle empfohlen hatte. Mit dem ehemaligen "Brücke"-Künstler wurde damit erstmals ein Vertreter des Expressionismus an die Akademie berufen. Muellers charismatische Persönlichkeit und seine Auffassung für die figürliche Darstellung sorgten in Breslau für Aufsehen: Mit energischer Sprache versuchte er, die Jugend vom Konventionell-Akademischen zur Freiheit zu erziehen, wie sein Vetter, der Maler Ivo Hauptmann, bei einem Besuch 1920 beobachtete. Ein frech hingesetzter schwarzer Kohlestrich sollte den Schülern eine Anregung geben. Ein im Aktsaal an die Wände gemaltes bandartiges Fresko mit "Knaben und Mädchen, hockend, liegend und stehend, Gruppen bildend in leichten Bewegungen einander zu- und abgekehrt" bot Anregungen. Mueller hat dieses entweder alleine gemalt oder zusammen mit den Studierenden der Akademie gestaltet, nur wenig ist dazu bekannt.
Mueller war neben Oskar Moll für eine der Malklassen verantwortlich und baute zusammen mit Karl Hanusch die Druckwerkstatt auf. Er blieb über zehn Jahre bis zu seinem frühen Tod an der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe und nahm im Breslauer Kunstgeschehen eine wichtige Rolle ein. Durch seine intensive Beschäftigung mit dem Akt brachte er die beste Voraussetzung für die Aktmalerei mit: "Seine Werke, in denen der menschliche Körper mit ganz ungewöhnlicher Empfindung behandelt und zur Landschaft in die feinste Beziehung gesetzt wird, mußten lange um Anerkennung ringen und haben erst in den letzten Jahren allgemeinere Beachtung gefunden." (1) Mit diesen Worten äußerte sich ein anonymer Kritiker anlässlich von Muellers Berufung an die Akademie in den Breslauer Nachrichten. Mueller hatte zu diesem Zeitpunkt schon seinen ganz eigenen Stil entwickelt und konzentrierte sich auf das Mittel der reinen Linie. Als Lehrer fürs Aktzeichnen galt er als kompromisslos: "Nur wer einen Akt malen konnte", so lautete seine Devise, "konnte alles andere zeichnen: Bäume, Frösche, Grillen." (2)
Auch in dem Gemälde "Frau und Knabe", entstanden um 1922, ist der menschliche Körper in enger Beziehung zur Natur gesetzt. An einem Fluss stehen zwei eher zufällig beobachtete Akte unbefangen in der Landschaft, umgeben von Bäumen und Buschwerk. Die weibliche, sich an einen Baumstamm lehnende Figur, dominiert in der linken vorderen Bildhälfte und lenkt mit ihrem Blick auf den weiter hinten, in der Bildmitte stehenden Knaben. Die schlanken, spitzen Körper gehen nicht in der Landschaft auf, sondern behalten ihre Eigenständigkeit und unterschwellige Energie (3). In der Darstellung "Frau und Knabe" wird Muellers Vorliebe für Inszenierungen und Arrangements deutlich: eine scheinbar augenblickliche Gruppe badender Menschen löst sich auf in Figuren und Paare - komponierte Haltungsstudien auf einer Bildbühne, wie die Kunsthistorikerin Christiane Remm die Bildstudien des Künstlers charakterisiert (4).
Durch eine kräftige Kontur sind die Figuren in Formen gefasst und die Gestalten wirken eckiger, kantiger und die Kompositionen dichter. Linie, Form und Fläche bestimmen die Ausführung. Die Äste, die die Figuren überfangen, formen noch andeutungsweise eine Art gotischen Spitzbogen wie Mueller ihn öfters in seinen Arbeiten durch die seitlich gesetzten Baumstämme formuliert. Ein Aspekt, welcher auf Wilhelm Worringer zurückgeht und auch in den Werken seiner Zeitgenossen, darunter August Macke, ein bestimmendes Bildelement darstellt.
Die flächige Malweise wird bei Mueller ganz wesentlich durch seine andersartige Maltechnik bedingt. Angeregt durch die ägyptische Wandmalerei, aber auch durch Studien der Schriften von Arnold Böcklin zur Wandmalerei und nicht zuletzt durch seine begrenzten finanziellen Mittel, begann sich Mueller ab 1901 mit der Leimfarbentechnik zu beschäftigen, die er unterschiedlich stark mit Ölfarbe mischte. Die Verwendung dieser Materialien veränderte seine Arbeitsweise und motivierte ein großflächigeres Arbeiten. Der Leimfarbe fehlt der Glanz, die Farben wirken matter, gedämpfter, was seiner Malerei eine freskohafte Anmutung verleiht. Oft wirken sie daher in ihrer Ausführung auch skizzenhaft. "Mit Ausnahme der frühen Werke sind", so hielt schon Erich Wiese, seit 1929 Direktor des Schlesischen Museums in Breslau und zu der damaligen Zeit der beste Kenner des Werkes Otto Muellers, im Zuge seiner Vorbereitungen zur Gedächtnis-Ausstellung 1931 fest, "alle Bilder in der dem Künstler eigenen Technik, mit einer von ihm selbst angesetzten Leimfarbe, gemalt. Als Farbträger nutzte er, falls nicht anders vermerkt, eine grobe Leinwand." (5)
Zu seinen Leimfarbenbildern hat ihn insbesondere die ägyptische Kunst der Amarna-Zeit angeregt, in der sich eine Sensibilität für Material und naturgetreue Formdurchsetzte, Grenzen in den Darstellungsmöglichkeiten aufgebrochen und Gegensätze in der Wiedergabe erlaubt wurden. Eine Ente im ägyptischen Museum in Berlin, die auf einem Fresko mit sparsamen Farben dargestellt war, brachte Mueller auf die vollkommen vereinfachte Malerei der Ägypter, die er fortan als maßgebliche Quelle für sein Schaffen sah. Durch sie fand er zu seiner spezifischen, durch Linie und Fläche bestimmten Arbeitsweise und brachte Tiefe in die zweidimensionale Fläche. Ihm ging es primär um Klarheit und Ausdruck: "Hauptziel meines Strebens ist, mit größtmöglicher Einfachheit, Empfinden von Mensch und Landschaft auszudrücken. Mir vorbildlich, auch für das rein Handwerkliche, war und ist jetzt noch die Kunst der alten Ägypter." (6) Seine motivischen Experimente der frühen Berliner Jahre reiften zu Themen, die er in der Folgezeit weiterentwickeln sollte. Viele seiner Motive führte er in immer wieder variierenden Versionen aus, kompromisslos konzentrierte er sich auf nur wenige Sujets. Seine Leinwände grundierte der Künstler dabei in der Regel selbst. Seine Intention war es, die Gewebestruktur der groben Leinwände mit in den Oberflächencharakter seiner Gemälde einzubinden.
Das Motiv des Akts in der Landschaft
Der Akt in der Landschaft ist eines der dominierenden Motive im Schaffen des Künstlers. In unzähligen Varianten konzentrierte sich Mueller kompromisslos auf wenige Sujets. "Badende im Wasser, schwimmend und plätschernd und watend, Badende am Strand, nackte Körper zwischen Schilf und Baumlaub, ein Liebespaar, ein Mädchenakt, das sind für Mueller scheinbar unerschöpfliche Themen, denen er immer noch eine weitere Variante abzugewinnen weiß, [.]. Es scheint, als ob Mueller mit einer Situation, die ihn reizt, nicht zu Ende kommen könnte." (7) Mit diesen Worten beschrieb der Kunstkritiker Paul Westheim 1918 Muellers Themenwahl. Gerade die Konzentration auf wenige Themen und sich wiederholende Motive stand zu Lebzeiten Muellers in der Kritik, die Befürchtung, dass eine Präsentation seiner Werke monoton wirken könnte. Ein Umstand, der Mueller durchaus bewusst war, wie aus einem Brief an seine erste Frau Maschka Mueller von 1922 deutlich wird: "Denn daß man allein eine Pflanze z.B. immer wieder variieren und neu gestalten kann ja daß es sogar viel schwerer ist dann noch interessant zu bleiben, sehen sie nicht ein und glauben, einen schnell als erledigt ansehen zu dürfen." (8) Das Wiederholen von Motiven war für Mueller notwendig, um ein Thema in seiner Tiefe erfassen zu können.
In Briefen an Maschka Mueller erwähnt Otto mehrfach Fotografien, die diese nach bestimmten Angaben machen lassen sollte. Diese Anweisungen betrafen nicht nur Maschka, sondern auch ihren Neffen Eugen. Maschka schickte ihm diese Fotos, auf die der Maler immer zurückgriff, wenn ihm kein Modell zur Verfügung stand. Auch wenn die Briefe größtenteils in die Kriegsjahre zu datieren sind, erhält der Leser einen Eindruck über die Arbeitsweise des Künstlers, wenn er schreibt: "Deinen Brief mit den Photos habe ich erhalten - Dein Bild ist gut, weniger die Akte von Eugen, zu posenhaft." Es kann also angenommen werden, dass Fotos von Maschka und ihrem Neffen Eugen Vorbild waren oder, auch das ist eine Option, dass der Sohn seiner Schwester Mara, genannt Nono, hier die figürliche Vorlage gegeben hat. Altersmäßig käme es hin und gelegentlich weisen Titel in jener Zeit auf das Vorbild Nonos für Jünglingsdarstellungen hin. Mueller hat in der Regel nur ihm vertraute Personen als Vorlage genutzt, treu seinem Moto "ich kann nur malen, was ich liebe". Wenn keine seiner Frauen zur Hand waren, griff er nicht nur auf Fotos, sondern auch auf geschnitzte Gliederpuppen zurück, die heute noch existieren.
Als Vorlagen verwendete er nicht nur Fotografien und Zeichnungen, sondern auch Lithografien, die er als Zeichnungen wichtiger Themen verstand, als Anregungen für seine Gemälde. Es kam durchaus auch vor, dass Mueller eine Lithografie nach einem Gemälde ausführte und dann wieder ein Gemälde nach der Lithografie, wodurch sich seitenverkehrte Kompositionen ergaben. Lithografien entstanden nicht unbedingt im Vorhinein, zur besseren Kenntnis oder als Entwurf für ein Motiv, sondern auch noch Jahre später, im Nachhinein des längst gemalten Bildes. Muellers immer wieder geschilderte Präzision und das in die Tiefe gehende Erfassen eines Sujets führten dazu, dass er ein Thema in verschiedenen Techniken "durcharbeitete" und von Lithografien und Leimfarbenbildern, selten auch Zeichnungen, verschiedene Versionen anfertigte.
Das Motiv des sich an einen Baumstamm lehnenden weiblichen Aktes taucht öfters in seinen Arbeiten auf, zumeist in mehrfigurigen Kompositionen, aber auch als Einzelmotiv. Zu nennen ist hier insbesondere das Gemälde "Stehender Akt unter Bäumen" (Abb. 1), seit 1952 im Museum Kunstpalast in Düsseldorf. Männliche Akte finden sich, abgesehen von den Selbst- und Doppelbildnissen, dagegen seltener im Schaffen des Künstlers. Nur in seltenen Fällen integrierte er Jünglinge in seine Figurenkompositionen. Neben den Gemälden in Emden und Amsterdam bilden auch die Kompositionen "Sich umwendendes Mädchen und Knabe" sowie die verschiedenen Fassungen von "Mutter und Kind" eine Ausnahme, auch wenn der Titel hier etwas in die Irre führt. Zwei weitere, in Mischtechnik ausgeführte Leinwände, darunter "Badendes Paar" (Abb. 2), gehören ebenfalls dazu. Besonders bei "Badendes Paar" (Abb. 2) taucht vergleichbar spannungsreich die Darstellung des Mädchen- und Knabenakt wieder auf und es findet zudem noch die rückseitige Knabenfigur von "Frau und Knabe" hier Verwendung. Zu beiden Themenvariationen existieren lithografische und malerische Ausführungen, nicht so bei dem vorliegenden Gemälde. Hier lassen sich nur in der Anlage der Figuren die Zeichnungen "Nacktes Mädchen zwischen Bäumen" (Abb. 3) und "Stehender Knabenakt zwischen Bäumen" (Abb. 4), hier spiegelverkehrt, heranziehen. Von "Frau und Knabe" scheint es also trotz der thematischen Nähe nur diese eine Leimfarbenversion zu geben.
Mueller schaffte es, trotz seiner Konzentration auf wenige Themen und wiederholender Motive, ein eigenständiges Werk zu schaffen, das trotz seines dunklen Kolorits der letzten Jahre niemals monoton wirkte und die Farbe für sich entdeckt hatte. Er gehörte mit zu den eigenwilligsten Malern seiner Zeit, was sich am deutlichsten, so ein zeitgenössischer Kritiker, an seinen Landschaftsdarstellungen zeigte, "deren poetischem Charme sich auch die Gegner dieses Malstils nicht widerstehen könnten, wenn sie nicht nur die Technik entmutigt wurden ("Leimfarbe auf rauer Sackleinwand"), die fernab jeglicher Tradition lag. Aus dem Nichts eines Motivs konnte er ein Kunstwerk von höchster Eindrucksstärke schaffen. Dies gelang ihm mit erstaunlich einfachen Mitteln, wodurch der Wert und die Bedeutung seiner Bilder erhöht wurde. (9) Im letzten Jahr seines Lebens erfuhr Mueller eine große Aufmerksamkeit und auch in der von dem neuen Direktor des Schlesischen Museums, Erich Wiese, eingerichteten Dauerausstellung der Moderne erfuhren zwei seiner Werke hohe Anerkennung, indem hervorgehoben wurde, dass sie seiner genialen Begabung bestes Zeugnis ablegen würden. Der frühe Tod des Künstlers im September 1930 gab Anlass, sein Werk zusammenfassend zu beurteilen und die von Wiese initiierte sowie organisierte Gedächtnisausstellung vereinte 68 Gemälde, zahlreiche Aquarelle und Zeichnungen und ist bis heute eine der umfangreichsten Werkschauen des Künstlers geblieben. Günther Hirschel-Protsch charakterisierte sein Schaffen anlässlich dieser Ausstellung treffend: "Er hat schon in frühen Jahren [.] eine eigenartige Technik gewählt, in welcher er seine großen Bilder schuf [.]. Er war ein sicherer Techniker und ein überraschend sorgfältiger Kenner kleinster Regungen und Bewegungen des menschlichen Körpers." (10)
Der Nachlass des Künstlers
Schon 1931 stellte Erich Wiese, der damalige Direktor des Schlesischen Museums in Breslau und beste Kenner des Werkes Otto Muellers fest, dass grundsätzlich auf den Bildern Datierungen fehlen und viele Werke schon zum damaligen Zeitpunkt oft nicht mehr aufs Jahr zu bestimmen waren. Als Anhaltspunkte zur Datierung helfen oft Ausstellungsbeteiligungen. Eine wichtige Grundlage ist auch das erste nach dem Zweiten oder Ersten Weltkrieg aufgestellte Verzeichnis von Wenzel Nachbaur. Historische? Fotografien von Werken sind oft nur bedingt aufschlussreich, da aufgrund der teuren Anfertigung nicht jedes Bild im endgültigen Zustand fotografiert zu sein scheint: Als Beispiele können in diesem Fall die beiden Liebespaare in Wiesbaden und Leipzig herangezogen werden, die von Mueller noch einmal überarbeitet worden sind und deren heutiger Zustand nicht mit den Aufnahmen aus der Zeit übereinstimmt.
Das Gemälde "Frau und Knabe" befand sich 1930 noch im Nachlass des Künstlers. Der 1874 in Liebau in Schlesien geborene Otto Mueller starb im Oktober 1930 in Obernigk bei Schlesien. Mit seinem Tod hinterließ Mueller eine Reihe von Gemälden, Papierarbeiten und Druckgrafiken, die zunächst alle in seinem Atelier an der Breslauer Kunstakademie zusammengezogen wurden. Im Auftrag der Familie bemühte sich zunächst Erich Wiese zusammen mit dem Akademiediener Heise um eine erste Auflistung der Werke, bevor sich der Maler und Freund Muellers, Erich Heckel, um die Aufstellung des Nachlasses kümmerte. Er listete die hinterbliebenen Werke, nummerierte die auf grobem Mischgewebe gemalten Bilder und versah die nicht signierten Papierarbeiten mit einem Nachlassstempel und seiner Signatur. Aus dem Nachlass erhielt Muellers erste Frau Maschka dreizehn Bilder und seine dritte Frau Elfriede Timm neun Gemälde. Sein Sohn Josef erbte als einziger Nachkomme des Künstlers den Großteil der Werke, insgesamt 29 Gemälde. Darunter befand sich auch "Frau und Knabe", die Nummer acht der nicht aufgespannten Leinwände. Obwohl es nicht als eines der Werke gelistet ist, die von Josef Mueller an die Berliner Nationalgalerie gegangen sind und es auch nicht in der Gedächtnis-Ausstellung auftaucht, muss es aufgrund der Beschriftung auf der Rückseite zu einem Zeitpunkt im Kronprinzenpalais gewesen sein. Genaueres dazu ist nicht bekannt. Das Kronprinzenpalais hielt in den 1930er Jahren aus dem Besitz Maschka Muellers insgesamt elf Gemälde als Depositum zurück. Auch über die Galerie Goldschmidt und Wallerstein und aus dem Besitz Ismar Littmanns waren Werke in das Berliner Museum gekommen, nicht nachweisbar ist bisher das vorliegende Gemälde.
Für die von Mai bis August 1931 in Essen stattfindende Ausstellung des Deutschen Künstlerbunds fragte Heckel bei Elsbeth Herbig, der Mutter von Josef Mueller an, ob die Ausleihe einer der folgenden Arbeiten möglich wäre: der "Akt mit Masken ringsum", "Frau und Knabe", das "Zigeunerzelt" oder das "Selbstbildnis mit Hahn". In Essen gezeigt wurden das "Zigeunerzelt", das Selbstbildnis mit Hahn" sowie der "Akt zwischen Bäumen". Das Gemälde "Frau und Knabe" ging dagegen im September 1931 den existierenden Aufzeichnungen zufolge zunächst mit 27 weiteren Werken aus dem Besitz Josef Muellers im Auftrag seiner Mutter Elsbeth Herbig, der zweiten Frau Muellers, zur Galerie Günther Franke nach München. Vor allem Franke, aber auch die Galerie Alex Vömel in Düsseldorf waren die beiden Galeristen, die sich bis in die 1950er Jahre um die Werke im Eigentum von Josef Mueller, um ihre Verkäufe und um Ausstellungen gekümmert haben. Erst in den 1950er Jahren wechselte das Bild "Frau und Knabe" zum ersten Mal den Eigentümer, blieb aber in privatem Besitz und war zuletzt über vierzig Jahre in derselben Privatsammlung. (Dr. Tanja Pirsig-Marshall)
(1) "Breslauer Kunstakademie", in: Breslauer Zeitung, Nr. 222, 3.5.1919, S.4
(2) Johannes Rickert, "Das pädagogische Prinzip der Breslauer Kunstakademie (1900-1932), in: Kuntschulreform1900-1933, hrsg. von Hans M. Wingler, Berlin 1977, S. 21
(3) Vgl. Henrike Holsing, "Ich kann nur malen, was ich liebe". Das Bild derFrau in otto Muellers Werk, in: Otto Mueller, Einfach - Eigen - Einzig, Beiträge zu Leben und Werk Otto Muellers, Bd. III, hrsg. von Hans-Dieter Mück und Dieter W. Posselt, S.88-95
(4) Christiane Remm, "über Otto Muellers Mitgliedschaft in der Künstlergemeinschaft Brücke, in: Maler, Mentor, Magier, Otto Mueller und sein Netzwerk in Breslau, Berlin, 2018, S. 71-77, S. 75
(5) Nachlass Erich Wiese
(6) Otto Mueller in: Ausst. Kat. Otto Mueller, Paul Cassirer, Berlin 1919
(7) Paul Westheim, "Otto Mueller", in: Das Kunstblatt, Heft 5, Mai 1918, S. 129-141
(8) Otto Mueller an Maschka Mueller, Brief 97 (alt 155), etwas Mai 1922, in: Lüttichau, Mario-Andreas von und Pirsig, Tanja, Werkverzeichnis der Gemälde, CD-Rom, Briefe
(9) Vgl. Rudolf Hillebrand, "Akademie-Ausstellung", in Breslauer Zeitung, Nr. 24, 24.1.1930, S. 2
(10) Günther Hirschel-Protsch, "Gedächtnisausstellung Otto Mueller im Museum", in: Die freie Meinung, Nr. 8, 21,21931, S. 2
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Robert van den Valentyn
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