1923 München - 1982 München
Modern | Post War | Contemporary
am
27.11.2024,
Los
39
Taxe: € 40.000
Ergebnis: €
72.600
(inkl. Aufgeld)
FRUHTRUNK, GÜNTER
München 1923 - 1982
Titel: Rote Randzonen I.
Datierung: 1965.
Technik: Acryl und Kasein auf Leinwand.
Maße: 89,5 x 84cm bzw. 84 x 89,5cm.
Bezeichnung: Signiert, bezeichnet und monogrammiert verso unten rechts: FRUHTRUNK PARIS (unterstrichen) ftk. Zudem bezeichnet und mit Richtungspfeilen versehen verso und unleserlich bezeichnet verso unten links.
Rahmen/Sockel: Rahmen.
Die Größenangaben im Werkverzeichnis sind nach neuen Recherchen nicht korrekt.
Wir danken der Walter Storms Galerie, München, für die freundliche wissenschaftliche Unterstützung.
Provenienz:
- Galerie Denise René, Paris (Aufkleber)
- Galerie Hans Mayer, Düsseldorf (Aufkleber)
- Privatsammlung New York
Ausstellungen:
- Städtische Galerie im Lenbachhaus, München (Aufkleber)
- Kunstmuseum Bonn, 2024
- Museum Wiesbaden, 2024
Literatur:
- Günter Fruhtrunk Gesellschaft e.V.: Günter Fruhtrunk - Werkverzeichnis der Bilder 1952-1982, Bd. 1, Berlin 2018, WVZ.-Nr. 477, Abb.
- Ausst.-Kat. Bilder 1952-1972, Städtische Galerie im Lenbachhaus/Badischer Kunstverein, München 1973, Kat.-Nr. 47
- Ausst.-Kat. Günter Fruhtrunk, Retrospektive 1952-1982, Kunstmuseum Bonn/Museum Wiesbaden, Köln 2024, S. 68, Abb.
(hier mit Rahmenmaßangaben)
Präzise Dynamik
Die Werke des Münchener Künstlers Günter Frühtrunk sind von penibelster, mathematischer Präzision und einem unverwechselbaren Sinn für Farbe. In seinen Gemälden vereint er in diversen seriellen Variationen Dynamik mit Struktur, Farbe mit Nicht-Farbe, und verbildlicht Gefühl durch Klarheit. "Rote Randzonen I" steht charakteristisch für die Gemälde Fruhtrunks, die er als Schwarz-Weiß-Raster, in einem hochpräzisen Malverfahren konstruiert. Mithilfe zarter Nuancen von Blautönen, die er vereinzelt anstelle des Weiß einsetzt und schmaler roter und dunkelblauer Farblinien entlang der breiteren schwarzen Stränge, kreiert er Raum und Schatten und verleiht dem klaren und konsequenten Schwarz eine Dynamik, die sich dem Betrachter wie eine Entrückung der Wahrnehmung, ein Fehler im klaren Raster-System, äußert. Das auf den ersten Blick strikt schwarz-weiß gehaltene Werk erscheint fast flimmernd, und wird richtungsweisend diagonal durch den Bildraum geführt. Das stark an die Prinzipien konstruktiver Kunst erinnernde Werk, entfaltet sich im kontemplativen Kontext und im Wahrnehmungsprozess des Betrachters als ein emotionsgeladenes, sich kontinuierlich entwickelndes und dynamisches System. Ein mitreißender Strom, der sich diagonal über den Bildrand hinaus zu erstrecken scheint.
Rote Randzonen I - Variation und Rhythmus
"Rote Randzonen I" von 1965 gilt als großartiges Exempel für Fruhtrunks Schaffensphase ab Ende der 1950er Jahre, in der er sich der Repetition und Rhythmisierung seiner Werke widmet. Auch die Tatsache, dass das Werk noch in diesem Jahr Teil der bedeutenden Retrospektive Fruhtrunks des Museums Wiesbaden und des Kunstmuseums Bonn gewesen ist, untermauert seine historische Signifikanz. In den seriell angefertigten Bildern, zu denen auch "Rote Randzonen I" zählt, greift Fruhtrunk Motive und Kompositionen immer wieder auf, rekonstruiert sie und arrangiert sie neu. Bezugnehmend auf unser heutiges digital geprägtes Zeitalter, weisen die Werke jener Phase somit eine außerordentliche Aktualität auf, die darüber hinaus durch die Reduktion von Farbe und Form gesteigert wird. Fruhtrunk entsagte sich früh dem gestischen Expressionismus und vermied die dichterische Bedeutungsschwere der Bilder seiner Zeitgenossen. Auch lässt er sich trotz der unanfechtbaren Parallelen, aufgrund seines differenzierten Umgangs mit Farbe und der Dynamik seiner Werke, nicht der Kunst des Konstruktivismus zuordnen. Generell entzieht sich das Oeuvre Fruhtrunks auch heute noch jeder Kategorisierung und steht als ein selbstständiges, unabhängiges Resultat einer tiefen Auseinandersetzung mit Form, Farbe, Raum und Zeit. Ebenso liegt seinen Arbeiten stets ein architektonischer Ansatz zugrunde. Nicht nur deshalb, weil Fruhtrunk neben der Malerei auch Architektur studierte und oftmals in der Gestaltung von Hausfassaden und Innenräumen beteiligt gewesen ist, sondern auch aufgrund der kubischen Formen und der Materialien wie Kies und Sand, die er oftmals in die Farbe seiner Werke mischte. Geprägt von dem Trauma, das für ihn später auch den selbstgewählten Tod bedeutete, erscheinen die Werke wie ein Ankerpunkt, eine klare Struktur im Gegensatz zu seinem aufgewühlten Geist. Die Auflösung kreisender, nicht fassbarer Gedanken zu einem starken, fließenden Strom. (Vgl. Ausst-Kat. Günter Fruhtrunk - Retrospektive 1952-1982, Kunstmuseum Bonn / Museum Wiesbaden, Köln 2023)
Zitat:
"Die zentrale und hochaktuelle Dimension innerhalb dieses Dialogs zwischen ständig herausgefordertem Sehen und ständig in Bewegung befindlichem Bildkontinuum besteht in der Anerkennung einer Unmöglichkeit der Gesichert-Seins sowohl im Bild wie in der Welt." (Berg 2018, 11)
Quellen:
Berg 2023
Berg, Stephan: Den Abgrund vor Augen, in: Günter Fruhtrunk. Retrospektive 1952-1982, hg. von Stephan Berg et al. (Ausst-Kat. Bonn, Kunstmuseum, 16. November 2023 bis 10. März 24; Wiesbaden, Museum Wiesbaden, 26. April bis 25. August 2024), Köln 2023, 10- 37.
Wißmann 1993
Wißmann, Jürgen: "Im Grün ertrinken". Einige Marginalien zu Günter Fruhtrunk, in: Günter Fruhtrunk, hg. von Peter-Klaus Schuster (Ausst.-Kat. Berlin, Neue Nationalgalerie, 5. Februar bis 14. März 1993; Münster, Westfälisches Landesmuseum, 28. März bis 9. Mai 1993; München, Städtische Galerie im Lehnbachhaus, 14, Juli bis 5. September 1993), München 1993, 19-28.
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