1870 Wedel - 1938 Rostock
Modern | Post War | Contemporary Art
am
29.11.2023,
Los
4
Taxe: € 50.000
Ergebnis: €
63.360
(inkl. Aufgeld)
BARLACH, ERNST
1870 Wedel - 1938 Rostock
Titel: Der singende Mann.
Datierung: 1928 (Entwurf).
Technik: Bronze, dunkelbraun patiniert.
Maße: 49,5 x 46,5 x 37cm.
Bezeichnung: Signiert an der Fußstütze verso links: E. Barlach.
Gießerstempel: Daneben Gießerstempel: H. NOACK BERLIN.
Bei diesem Werk handelt es sich um einen von insgesamt 38 posthumen Güssen.
Provenienz:
- Privatsammlung Nordrhein-Westfalen
Literatur:
- Laur, Elisabeth: Ernst Barlach - Werkverzeichnis II, Das plastische Werk, Güstrow 2006, WVZ.-Nr. 432, Abb.
- Der singende Mann zählt zu den bedeutendsten bildhauerischen Werken des deutschen Expressionismus
- Die zurückgelehnte Haltung sowie die geschlossenen Augen unterstreichen die gleichzeitig ausdrucksstarke und nachdenkliche Natur der Skulptur
In seinen vielschichtigen, stillen und zugleich vitalen Skulpturen beschäftigt sich Ernst Barlach stets mit der menschlichen Figur. Sie ist ihm Ausdrucksträger für eine symbolhaft überhöhte Darstellung existenzieller, oft leidvoller Gefühle und Zustände. Zu Beginn inspirieren ihn hierzu der Jugendstil und vor allem die Werke von Alfred Kubin und Edvard Munch. Doch während einer erlebnisvollen Reise durch Russland 1906 entdeckt er das Metaphysische und Geheimnisvolle im Alltäglichen für sich und wagt einen Neuanfang.
"Form - bloß Form? Nein die unerhörte Erkenntnis ging mir auf, die lautete: Du darfst alles Deinige, das Äußerste, das Innerste, Gebärde der Frömmigkeit und Ungebärde der Wut, ohne Scheu wagen, für alles, heiße es höllisches Paradies oder paradiesische Hölle, gibt es einen Ausdruck." (Barlach 1927, in: Ein selbst erzähltes Leben, Kap. 15 - Ich finde freie Bahn). So befreit er seine schlichten Gestalten von jeglichem individuellen Moment und aus dem gesellschaftlichen Kontext und verdichtet sie zu einem allgemeingültigen Sinnbild für das menschliche Dasein. Dabei entwickelt er einen neuartigen, ekstatisch-expressiven Formenkanon, den er in den 1920er Jahren mildert und harmonisiert.
Wie bei dem "singenden Mann" verzichtete Barlach stets auf überflüssige Details und
beschränkt sich auf elementare Formen. In einer weitestgehend geschlossenen,
raumgreifenden Dreieckskomposition stellt er die Gewandfigur da: leicht zurückgelehnt, das rechte Knie umfassend und das linke Bein angewinkelt abgelegt, sitzt der Jüngling auf dem Boden. Mit geschlossenen Augen und leicht geöffnetem Mund scheint er ganz auf sich selbst konzentriert, singend in sich lauschend. Auf eindrucksvolle Weise gibt Barlach hier dem Inbegriff von Kontemplation, von medialer Gestimmtheit und der Einsamkeit des in sich versunkenen Menschen Ausdruck. Schon 1912 hat Barlach in einer Kohlzeichnung diesen Ausdruck des völligen Gelöstseins eines Singenden festgehalten (vgl. WVZ. Probst, WVZ.-Nr. 1189).
"Wenn der Künstler zeigt, wie mystisch alles ist, so ist das aussichtslos, es sagt dem
Publikum bloß, daß es im Trüben verharren muß. Wenn der Künstler aber das Mystische so
sinnlich gestaltet, daß es vertraute Welt wird, so hat er erhoben: durch das Gewöhnliche zum Unendlichen. Und er hat gezeigt: sieh, die ganze Welt ist großartig, überall, der mystische Gehalt geht voll auf im Gewöhnlichen." (Barlach, ebenda, Kap. 2 - In einem Tagebuch 1906)
Barlach, der u.a. Bach, Beethoven und Schubert wie auch die Volksmusik schätzt, hat sich mehrfach gattungsübergreifend mit dem Thema Musik beschäftigt. "Der Singende Mann" gehört wohl zu den bekanntesten seiner Skulpturen.
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