Page 66

Katalog 388 | Alte Kunst

552 Reinhart, Johann Christian (1761 Hof - 1847 Rom) Ideale Landschaft mit Leonidas-Denkmal. Graphit und Feder, grau laviert, auf leichtem Karton. 41 x 58cm. Signiert und datiert unten links: C. Reinhart Roma 1834. Rahmen. Vgl. Literatur: Feuchtmayr, Inge: Johann Christian Reinhart (1761-1847). Monographie und Werkverzeichnis, München 1975. Provenienz: Privatbesitz durch Erbfolge, Berlin. Das Blatt befand sich zur Untersuchung der Technik und für kleinere Restaurierungsarbeiten im Atelier für Papierrestaurierung Dirk Ferlmann, Köln. In diesem Zusammenhang wurde eindeutig festgestellt, dass es sich hier um eine Handzeichnung (Feder, grau laviert, Graphit) handelt. Johann Christian Reinhart ist ein Hauptvertreter der idealen Landschaftskunst der Jahre um 1800. Nach seiner Ausbildung in Leipzig und Dresden und seiner Tätigkeit am Hofe Georgs I. von Sachsen- Meiningen lebte er ab 1789 bis zu seinem Tod 1847 in Rom. Dort wurde er zu einer zentralen Persönlichkeit der internationalen Künstlerkolonie. Die vorliegende, der Forschung bislang unbekannte, sorgfältig ausgeführte Zeichnung ist ein charakteristisches Beispiel für den Typus der von ihm gepflegten klassizistischen Ideallandschaft. Vor einem Gebirge erhebt sich im Mittelgrund eine antike Stadt. Etwas außerhalb steht, umgeben von einer eigenen Mauer, ein dorischer Tempel, den Reinhart in starker perspektivischer Verkürzung darstellt. Die Palme daneben setzt in der ansonsten mitteleuropäischen Vegetation einen Akzent und verweist auf einen südlichen Handlungsort. Diverse Staffagefiguren beleben im Vordergrund die Szenerie. Ein antikisch gekleideter Hirte leitet seine Ziegen in Richtung der Stadt, ein Wanderer schöpft aus dem Bach mit seiner Trinkschale Wasser. Es quillt unter einem gemauerten Bogen hervor, über dem ein Steinblock die griechische Inschrift „XAIPE“ (Chaire) trägt, was „Sei gegrüßt“ Gemälde 19. Jahrhundert bedeutet. Es ist ein Willkommensgruß an Passanten, welche sich der Stadt nähern und sich an dem Wasser erfrischen können. Mehrfach versah Reinhart in seinem künstlerischen Schaffen gemauerte Quelleinfassungen mit diesem griechischen Gruß, z.B. im Gemälde „Die Erfindung des korinthischen Kapitells durch Kallimachos“, Feuchtmayr G 32. In der hier angebotenen Zeichnung überschaut ein im Gelände etwas erhöht lagernder Mann das Areal. Er hat den Kopf mit einer Hand abgestützt. Seine Erscheinung und die Nähe zum Bach erlauben die Assoziation an Skulpturen antiker Flussgötter. Mehrere Grabmonumente und Denkmäler sind über die Gegend verstreut, darunter ein markantes am linken Blattrand. Auf einem Säulenstumpf ist ein korinthischer Helm zu sehen. Am Schaft hängt ein Schild mit aufgemaltem Blitzbündel über einem Schwert. Dieser Zeichnung gehen drei motivisch gleiche Zeichnungen voraus, die heute im Berliner Kupferstichkabinett (Feuchtmayr Z 20) und im Museum der bildenden Künste in Leipzig (Feuchtmayr Z 198) aufbewahrt werden. Eine eher skizzenhafte Zeichnung der Komposition befindet sich in Privatbesitz in Frankfurt am Main (nicht bei Feuchtmayr). Die beiden Zeichnungen in Museumsbesitz können wegen ihres Ausführungsgrads nicht als Vorzeichnungen angesprochen werden, außerdem ist die Leipziger Zeichnung signiert und auf 1832 datiert. Alle nunmehr bekannten vier Zeichnungen gehen auf dieselbe Kompositionsidee zurück, wenn es auch Nuancen gibt. So ist nur in der Berliner Zeichnung das erwähnte Grabmonument mit einem Namen versehen, den man mit „Leonidas“ auflösen kann. Diese Dedikation muss aber bei der Interpretation aller vier Zeichnungen berücksichtigt werden. Leonidas war seit 490 v. Chr. König von Sparta und ist berühmt für sein Verhalten während der Schlacht bei den Thermopylen, als er 480 während der Perserkriege mit einer kleinen Gruppe Soldaten den strategisch wichtigen Engpass lange gegen ein übermächtiges Perserheer verteidigte, letztlich aber mit allen seinen Streitern getötet wurde. An der Stelle, wo sie gefallen waren, errichtete man ihnen zu Ehren ein Denkmal, dessen Inschrift von Friedrich Schiller im 1795 entstandenen Gedicht „Der Spaziergang“ mit den Versen wiedergegeben wird: „Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten,/ Du habest uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl.“ Da Reinhart ein Freund Schillers war, beide hatten sich 1785 in Leipzig kennengelernt, mag ihm das Gedicht vertraut gewesen sein. Er integrierte bewusst ein Denkmal für diesen heldenhaften Feldherrn in seine Landschaft, um ihr unterschwellig einen heroischen Klang zu geben. In der Zusammenschau aller Zeichnungen dieser Landschaftskomposition wird deutlich, dass sie von einem gebildeten Künstler entwickelt wurde: die antiken Architekturen sind korrekt wiedergegeben, nicht nur der dorische Tempel, sondern auch die an das Kolosseum erinnernde Arena, die Kenntnis antiker Skulptur und Geschichte wird spürbar, womöglich ist auch ein Bezug zur zeitgenössischen Dichtung Schillers vorhanden. Den Kunsthistorikern war die Bedeutung der Bilderfindung bewusst; aus diesem Grund wurde die Berliner Zeichnung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts photomechanisch reproduziert und die angefertigten Facsimiles verkauft. Solche tauchen auch heute immer wieder auf und bewirken, dass die Komposition eine der bekanntesten Reinharts ist. Dr. F. Carlo Schmid, Düsseldorf Zur Berliner Zeichnung vgl.: Johann Christian Reinhart. Ein deutscher Landschaftsmaler in Rom. Ausst.Kat. Kunsthalle Hamburg und Neue Pinakothek München. Hrsg. von Herbert W. Rott und Andreas Stolzenburg, in Zusammenarbeit mit F. Carlo Schmid, München 2012, S. 314 (Abb. seitenverkehrt). € 10.000 - 15.000 $ 10.800 - 16.200


Katalog 388 | Alte Kunst
To see the actual publication please follow the link above