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Katalog 388 | Alte Kunst

Neben seinen literarischen, naturwissenschaftlichen und kunsttheoretischen Werken, in denen sich seine weitgespannten Interessen und Fähigkeiten spiegeln, und den amtlichen Schriften, gehört zu den überlieferten Zeugnissen der immensen Lebensleistung Goethes, ein eindrucksvolles, umfangreiches zeichnerisches OEuvre: Erhalten sind rund 2600 Blätter. Allein der Umfang dieses bildkünstlerischen Werkes beeindruckt und lässt den Schluss zu, dass es sich hier um mehr als eine bloße Liebhaberei oder Dilettantisches handelt: »Goethes Dichtungstrieb, verschlungen in seinen Hang und seine Anlage zur bildenden Kunst, und sein Drang, von der Gestalt und dem äußeren Objekt aus dem innersten Wesen der Naturgegenstände und den Gesetzen ihrer Bildung nachzuforschen, sind in ihrem Prinzip eins und ebendasselbe und nur verschieden in ihrem Wirken.« Was Wilhelm von Humboldt 1830 mit diesen Worten über die innere Einheit von Goethes Dichten, Forschen und Zeichnen sagte, hat dieser wiederholt selbst bekundet. Seine Zeichnungen, die Früchte vieljährigen Strebens, in der bildenden Kunst Bedeutendes zu leisten, wurden von ihm immer auch als Teil seines Lebenswerkes gesehen. Das Zeichnen, auf das er sich als bildender Künstler konzentrierte, war ihm unentbehrliches Hilfs- und Ausdrucksmittel. Ersten Unterricht erhielt Goethe schon als Kind im Elternhaus von dem Frankfurter Zeichenmeister Johann Michael Eben. Eine systematisch-akademische Ausbildung hat Goethe nicht absolviert. Doch während seines Jurastudiums in Leipzig besuchte er – quasi im Nebenfach – die Zeichenakademie des frühklassizistischen Malers Adam Friedrich Oeser. Und stets um die Vervollkommnung seiner bildkünstlerischen Anlagen bemüht, ließ er sich im privaten Rahmen bis in die 1810er-Jahre hinein immer wieder von bedeutenden Künstlern seiner Zeit unterrichten. Als Voraussetzung für eine erstklassige künstlerische Ausbildung galt damals auch ein Studium in Italien. Daher war es folgerichtig, dass er während seiner Italienreise mit professionellen Künstlerkollegen wie Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, Angelika Kauffmann, Friedrich Bury, Christian Georg Schütz, Albert Dies, Jacob Philipp Hackert, Christoph Heinrich Kniep, Maximilian van Verschaffelt, Johann Heinrich Meyer, »als episodischer Schüler« intensiven Umgang pflegte.i Mit J.H.W. Tischbein als Mentor erlebte Goethe von Ende Oktober 1786 bis Ende Februar 1787 in Rom eine besondere Phase dieser Form des Unterrichts. Bereits im November und Dezember 1786 unternahmen beide im Nordwesten Roms den Tiber entlang ausgedehnte Wanderungen mit gemeinsamem Zeichnen vor der Natur.ii In den Tagen kurz vor seiner Abreise nach Neapel hat Goethe sehr intensiv gezeichnet. Offenbar war es ihm wichtig festzuhalten, wie Rom und die Landschaften der Campagna die Roma seinen bis dahin an niederländischen Vorbildern – u. a. an Rembrandt – geschulten Blick verändert hatten, bevor er in Italiens Süden neue Eindrücke gewann. Das bildgebende dramatische Helldunkel der Niederländer mit der Vorliebe für »idyllische Winkel« wurde in Rom abgelöst durch neue Leitbilder: die Ideallandschaften Claude Lorrains und Nicolas Poussins.iii Was 1786 als prozesshafter Wandel begonnen hatte, reflektierte Goethe in der Italienischen Reise unter dem Datum 17. Februar 1787: »Manchmal erinnere ich mich, wie der Künstler Rückseitige Bezeichnung von Goethes Hand und dem Testat von der Hand Alexander von Humboldt.


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