um 1535 Cremona - 1625 Palermo
Fine Art
am
02.06.2021,
Los
926
Taxe: € 35.000
Ergebnis: €
58.050
(inkl. Aufgeld)
ANGUISSOLA, SOFONISBA
um 1535 Cremona - 1625 Palermo
Titel: Portrait eines Kindes.
Technik: Öl auf Holz.
Maße: 37 x 28cm.
Rahmen/Sockel: Rahmen.
Rückseitig:
Auf der Tafel alte Aufschriften.
Gutachten:
M. Tanzi, Cremona, 23.02.2021, liegt vor.
Provenienz:
Privatbesitz, Schweiz.
Das Gemälde zeigt einen Jungen im Halbportrait, der mit einem eleganten, schwarzen, goldbesetzten Samtkleid mit zahlreichen Knöpfen und einem dünnen Gürtel in der Taille bekleidet ist, während er auf den Schultern einen Mantel trägt, aus dem der Kragen und die Manschetten aus weißer Spitze hervorschauen. Im unteren Teil des Bildes kann man eine breite, goldgestreifte Hose erahnen. In der rechten Hand hält das Kind ein Paar Handschuhe, während es mit der linken Hand den Griff eines Schwertes umschließt, was möglicherweise darauf hinweist, dass seine Familie dem militärischen Adel angehörte. Das von schütterem rötlichem Haar umrahmte Gesicht wird von einem stolzen und intensiven Blick erhellt; der Hauch eines Lächelns scheint das Wissen um seinen Rang trotz seines jungen Alters auszudrücken. Die Formen werden durch ein weiches, zartes Helldunkel geformt und die Figur hebt sich ohne Selbstgefälligkeit ab, dank des geschickten Spiels von Farbkontrasten, die nicht überbetont werden, auf einem schönen neutralen grau-braunen Hintergrund, der durch Schatten variiert wird.
Das schillernde Bildnis zeigt die typischen Merkmale der höfischen Portraitmalerei zwischen dem siebten und achten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts. Insbesondere die malerischen Besonderheiten und einige stilistische Details erlauben es, das Werk der kremonesischen Malerin Sofonisba Anguissola zuzuschreiben, die ihre Ausbildung in ihrer Heimatstadt zum Zeitpunkt der Entstehung des vorliegenden Gemäldes längst hinter sich gelassen hat und bereits über die wichtige Zeit am Hof Philipps II. in Madrid hinaus ist, wo sie das Diktat der Hofportraitkunst erlernte. Es ist in der Tat ein Werk, das in den ersten Aufenthalt in Sizilien eingeordnet werden kann, wo Sofonisba 1573 mit allen Ehren und - dank der Großzügigkeit des Monarchen - einer reichen Mitgift ankam, um Fabrizio Moncada, Gouverneur von Paternò, zu heiraten. Es gibt nicht viele Informationen über dieses Kapitel der Tätigkeit von Sofonisba - die ja recht kurz war, wenn man bedenkt, dass sie im April 1578 Witwe wurde -, aber die Forschungen der letzten Jahre haben es möglich gemacht, sich mit Sicherheit auf die große Tafel mit der Madonna dell'Itria zu beziehen, die am 25. Juni 1579 dem Franziskanerkloster von Paternò geschenkt wurde und sich heute in der Kirche von Santissima Annunciata befindet. Die Morphologie des Gesichts der Jungfrau zeigt besondere Ähnlichkeiten mit den Merkmalen unseres Kindes, wie z.B. die typische Muschelform der Augen und die Darstellung von Nase und Mund. Diese Merkmale finden sich in einer großen Auswahl von Anguissolas Figuren wieder: von der Nonne von Southampton aus dem Jahr 1551 über Massimiliano Stampa, der sich in der Cook-Sammlung in Richmond befindet, bis hin zu den Drei Knaben in Corsham Court, bei denen das Haar des in der Mitte Stehenden mit demselben leichten und feinen Pinselstrich gemalt ist, bis hin zu Alessandro Farnese aus der National Gallery of Ireland in Dublin, der dieselbe stolze Haltung wie unser Knabe zeigt. Es sind dann die Portraits der Genueser Jahre, die weitere Affinitäten mit dem vorliegenden Bildnis zeigen, wie die Infantin Caterina Micaela Herzogin von Savoyen heute im Prado, das andere von derselben Infantin, mit Pelzkragen und verschleiertem Kopf, in der Stirling-Sammlung von Pollok House, in Glasgow. Unser Gemälde gehört zur Typologie der Halbportraits dieser Periode zwischen Madrid und Genua, in der die physiognomische Charakterisierung des Dargestellten nicht auf der Grundlage der in der Jugend in Cremona erlernten naturalistischen Diktate akzentuiert wird und auch nicht in der Einbalsamierung des Bildnisses schwelgt, wie am spanischen Hof. Vielmehr weicht die Malerei einem minutiöseren und detaillierteren Geschmack für dekorative Details, während die Umgebung die übliche ist, so weit wie möglich vereinfacht wie in den Portraits der Madrider Zeit.
Anguissola war eine gute Portraitmalerin, die schon sehr früh internationalen Ruhm erlangte: In Cremona folgte sie den Lehren ihrer Meister Bernardino Campi und Bernardino Gatti und es gelang ihr, Werke zu schaffen, die ans Entzückende grenzten, wie das Familienportrait in der Nivaagaards Malerisamling, das Gemälde mit dem Schachspiel in Posen, und Portraits, die die Psychologie der Portraitierten erforschen und es wagen, über die Oberfläche der Haut hinauszugehen, wie beim Domkapitular von Brescia. Am Hof Philipps II. hingegen verlieren wir uns in einem Strudel von Malern, die dieselben Figuren portraitieren und immer wieder dieselbe Vorlage kopieren: Die königliche Familie wurde dargestellt von Anthonis Mor, Alonso Sánchez Coello, Juan Pantoja de la Cruz, Sofonisba und anderen, die eine beeindruckende Anzahl von Gemälden schufen, die weitgehend identisch waren. Die "Pintora" schafft es offensichtlich, mit Leichtigkeit auf verschiedenen expressiven und qualitativen Ebenen zu spielen.
Verglichen mit der unendlichen Folge von Selbstportraits und den Portraits Anguissolas Schwestern ist unsere Figur Teil eines eher kleineren männlichen Repertoires des Künstlerin. Sie behält sich dabei eine weniger eindringliche und etwas unbekümmerte Charakterisierung vor und bezieht sich auf eine fast offizielle Idealisierung, jedoch nicht ohne etwas Raum für Ironie zu lassen.
Es handelt sich bei dem vorliegenden Werk also um eine wichtige Ergänzung des Oeuvres der Portraits von Sofonisba Anguissola, die auf den ersten Aufenthalt der Malerin in Sizilien zu datieren ist. Aufgrund der noch relativ geringen Anzahl an Werken dieser Schaffenszeit, ist die Darstellung des jungen Sprosses aus einer lokalen Familie, die durch die zukünftige Forschung noch identifiziert werden kann, eine große Bereicherung dieses Kapitels.
Wir danken Marco Tanzi, Cremona, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage einer hochauflösenden Digitalfotografie bestätigt hat.
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466. Fine Art,
am
02.06.2021,
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926
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