1811 Samarang (Java) - 1880 Buitenzorg
Alte Kunst
am
15.11.2007,
Los
853
Taxe: € 120.000
Ergebnis: €
178.500
(inkl. Aufgeld)
Saleh Ben Jaggia, Raden
1811 Samarang (Java) - 1880 Buitenzorg
"Löwen mit totem Pferd und Schlange". Öl auf Malkarton. 30,5 x 40,5cm. Signiert unten rechts: Raden Saleh ft. Rahmen.
Rückseitig:
Auf dem Malträger alter Aufkleber des Malerbedarfs R. Davy, London.
Gutachten:
Dr. Werner Kraus. Passau, 19. September 2007:
"Der javanische Künstler Raden Saleh (1811-1880) reiste 1829 nach Europa, um sich, als erste Asiate, zum Maler ausbilden zu lassen. Zunächst lernte er in Den Haag bei Cornelis Kruseman, dann bei Andries Schelfhout. Später sollte er auch noch Johann Clausen Dahl als Lehrer haben. Um 1834 ließ er sich als freier Maler nieder. 1839 begab er sich auf eine Kunstreise, die ihn u.a. nach Dresden führte. Hier arbeitete er viele Jahre und entwickelte seinen Ruf als orientalischer Tier- und Jagdmaler. Nach Aufenthalten in Coburg und Paris fuhr er 1852 in seine Heimat Java zurück. Dort malte er hauptsächlich Landschaften und Portraits sowie einige Genrestücke. Nach einem weiteren Aufenthalt in Deutschland, Italien und Frankreich in den Jahren zwischen 1875 und 1879, starb er 1880 in Bogor/Java. Raden Saleh wird in Indonesien als der Pionier der "neuen" Malerei gefeiert und seine Bilder erreichten auf Auktionen der letzten Jahre Höchstpreise.
Das hier vorgestellte Bild war der Wissenschaft bisher noch nicht bekannt und ergänzt das, mehr als 200 Gemälde umfassende, Werk des Malers um ein interessantes Stück.
Zur Bildgeschichte
Im Jahr 1838 taucht im Werk Raden Salehs plötzlich ein neues Motiv auf: Löwen, Tiger, eine Schlange und manchmal auch Pferde. Diese neuen Bildinhalte, die man als Vorläufermotive seiner bekannten Jagdbilder sehen muss, gingen auf seine Bekanntschaft mit dem Tiertrainer und -schausteller Henri Martin zurück. Martin zog seit einigen Jahren mit einer Tiergruppe durch Europa und erregte mit seinen phantasievollen Auftritten große Aufmerksamkeit. Neben Delacroix, Balzac und Gautier scheint sich auch Johann Wolfgang von Goethe für Martin interessiert zu haben.
1837 kam Martin mit seinen Tieren zur mei kermis, dem traditionellen Jahrmarkt, nach Den Haag. Martin war inzwischen zur gefeierten Sensation geworden und seine Vorstellungen - er führte kleine Stücke auf, in die die wilden Tiere integriert waren - waren das Gespräch der Stadt. Zu Martins Truppe zählten die Löwen Nero, Coburg II. und Blücher, die Löwin Charlotte und Fanny, sowie die Hyäne Marianne. Daneben arbeitete er mit einer Boa, mit Kängurus, Straussen und anderen Vögeln.
Auch Raden Saleh sah Martins Tierschau in Den Haag und war von ihr fasziniert. Er befreundete sich mit dem Tiertrainer und malte dessen Portrait. Dadurch erwirkte er die Erlaubnis die Tiere zu beobachten und zu skizzieren. Raden Saleh interessierte sich besonders für die Löwen, die ihm fremd waren. Martins Tiger Atyr (der 1830 Delacroixs Aufmerksamkeit fand) war für Saleh weniger interessant, denn Tiger kannte er zur Genüge seit seiner Kindheit auf Java.
Durch den Kontakt mit Martin und dessen Tieren wurde Raden Saleh von einem wahren Feuer ergriffen. Hatte er bisher hauptsächlich Portraits, einige konventionelle Landschaftsstücke und eine Reihe von unbedeutenden Genre-Bildern gemalt, dann eröffneten sich ihm nun neue künstlerische Wege. Unzufrieden mit dem konventionellen Charakter seines bisherigen Werkes, fühlte er sich einer Berufung ausgesetzt. Großes, Wildes wollte er jetzt malen, dramatische Gefühle, die seiner asiatischen Natur angemessen waren.
Allerdings wusste er erst nicht, wohin ihn dieses neue Feuer führen solle. Zunächst begann er damit einen "Daniel in der Löwengrube" zu malen. Um die Leinwand für das monumentale Gemälde unterzubringen - sie maß 250 x 330 cm - nahm er es sogar in Kauf, sich ein neues, größeres Atelier zu suchen. Allerdings kam das Bild über das Stadium einer Studie nicht hinaus. Der junge Maler war noch nicht in der Lage eine derart komplexe Komposition zu meistern. Also fing er kleiner an.
Sein erstes Löwenbild war der Kopf des Löwen Nero, den Raden Saleh 1838 malte. Dieser Studie folgten weitere und erst dann wagte er sich an eine komplexere Arbeit. Diese trug den Titel Kampf zwischen zwei Löwen in einer gebirgigen Landschaft und wies mit 144 x 185 cm ein beträchtliches Format auf. Raden Saleh bot das fertige Bild im November 1838 dem holländischen König Wilhelm I. als Geschenk an.
Der nächste Versuch, das Thema in den Griff zu bekommen, war ein weiteres großes Gemälde (Löwen und eine Schlange vor einer Grotte in tropischer Landschaft, 1839, 121 x 175,5 cm), das einen majestätischen Löwen und eine etwas verborgene Löwin in einer gebirgigen Landschaft darstellt. Der Löwe bewegt sich auf eine Boa Constrictor zu, die sich ziemlich unvermittelt vor ihm aufrichtet. Löwe und Boa, die aus unterschiedlichen Lebensräumen stammen, können sich so allein in der Tierschau des Herrn Martin begegnet sein. Raden Saleh hat seine bei Martin gemachten Studien zu einem Bild zusammengefügt. Da deshalb die Dramatik zwischen den Wesen allein eine "als ob Dramatik" ist, bleibt das Gemälde auch sonderbar spannungslos.
Das hier angebotene Bild: Löwen mit totem Pferd und Schlange, muss in die oben geschilderte Serie gestellt werden. Abgesehen vom armen Pferd, haben wir es mit der bekannten Trinität "Löwe, Löwin, Boa Constrictor" aus der Martinschen Tierschau zu tun. Der Löwe, der auf dem getöteten Pferd steht ist dabei eindeutig als Nero identifizierbar (wir kennen ein Portrait Neros vom belgischen Maler Eugène Joseph Verboekhoven). Bei der Löwin an seiner Seite scheint es sich um Fanny zu handeln und die Boa war dem zeitgenössischen Publikum als Teil eines "lebenden Bildes" (Laokoon-Gruppe) aus der Tierschau des Henry Martin bekannt. Vergleicht man das hier vorgestellte Bild mit dem obengenannten Vorgänger Löwen und eine Schlange vor einer Grotte in tropischer Landschaft, dann wird deutlich, welche großen malerischen Fortschritte Raden Saleh inzwischen gemacht hat. Nero zeigt sich nun wesentlich dynamischer und realistischer als in den Vorgängerbildern. Ähnliches kann man über seine Begleiterin sagen. Die Schlange dagegen agiert immer noch störend, bedroht mit weit aufgerissenem Maul die Hauptakteure der Szene. Die Ikonographie, die den Löwen zum Täter, das Pferd zum Opfer und die Schlange zur Warnerin macht, erschließt sich mir noch nicht.
Datierung
Das erste bekannte Bild Raden Salehs, das die Konstellation Löwen, Pferde, Schlange behandelt wurde von ihm 1838 gemalt.. Das letzte 1841 in Dresden. Es gelangte in den Besitz des Herzog Ernst II. von Sachsen, Coburg und Gotha und befindet sich heute im Museum Schloss Friedenstein in Gotha. Dieses Bild stellt die Verbindung zwischen den früheren Tierbildern und den späteren Jagdbildern her und ist der Abschluss einer Periode. Schlangen erscheinen später nicht mehr im Werk Raden Salehs.
Als Entstehungszeit für das beschriebene Bild muss deshalb die Zeit zwischen 1838 und 1841 angenommen werden. Auf Grund der malerischen und technischen Qualitäten bin ich geneigt seine Entstehung später als die oben genannten Bilder anzusetzen. Möglicherweise entstand es im Sommer 1839 in Berlin, wo Raden Saleh nach eigenen Aussagen "drei Kopien, drei Skizzen und sechs Originale" angefertigt hat. Das hier angebotene könnte eines jener sechs Originale sein.
Fazit
Das Gemälde Löwen mit totem Pferd und Schlange, Öl auf Karton, 30 x 40 cm, signiert: Raden Saleh f, nicht datiert ist ein Werk des Raden Saleh. Es ist Teil eines thematischen Clusters im Schaffen Raden Salehs, der sich über die Jahre 1838 bis 1841 erstreckt. Auslöser für das verstärkte Interesse an wilden Tieren war die Bekanntschaft mit den Tiertrainer Henri Martin. Die dargestellten wilden Tiere sind jene, die Raden Saleh in der Tierschau Martins gesehen und skizziert hat. Das Pferd dagegen, das wir in ähnlicher Form auf einer Zeichnung im Kupferstich Kabinett Dresden finden, geht auf Salehs Auseinandersetzung mit Horace Vernet zurück. Das Bild ist wahrscheinlich 1839 in Berlin gemalt.
Passau, 19. September 2007
Wir danken Herrn Dr. Werner Kraus für seine freundliche Unterstützung.
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258. Alte Kunst,
am
15.11.2007,
Los
853
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