1969 Gescher
Modern
am
29.05.2019,
Los
1015
Taxe: € 3.000
Ergebnis: €
20.640
(inkl. Aufgeld)
DIEKER, BIRGIT
1969 Gescher
Titel: Anita.
Datierung: 2011.
Technik: Assemblage (Pailetten, Lurex, Perlen) und Barhocker.
Maße: 184 x 71 x 45cm.
Ausstellungen:
- Kunstverein Friedrichshafen, 2012
-
Stadtgalerie Saarbrücken, 2012/2013
- Kunstverein Münsterland e.V., 2013
- Auf AEG (Halle 20), Nürnberg 2015
Literatur:
- Ausst.-Kat. Birgit Dieker. DERMA, Kunstverein Friedrichshafen/ Stadtgalerie Saarbrücken/ Kunstverein Münster, Berlin 2012
Die zeitgenössische Künstlerin Birgit Dieker befasst sich mit den Themen des Konsums, des sinnlosen Luxus, des schnellen, vielleicht zu schnellen, Genusses überflüssiger Angebote und damit, welcher Bezug sich daraus zum Individuum ableiten lässt. In ihren Werken arbeitet sie sowohl auf formaler als auch auf inhaltlicher Ebene diese Bezugnahmen heraus.
"Dem Körper kommt heutzutage so viel Bedeutung zu," sagt die Künstlerin. "Wir leben in einer Leistungsgesellschaft: Jung sein, fit sein, das Beste aus sich rausholen - darauf kommt es an. Da bleibt der Körper nicht unverschont - ganz im Gegenteil! Alt werden wollen alle, aber nicht alt aussehen. Der Körper wird längst nicht mehr als unveränderbar hingenommen. Er muss sich an Bildern messen, wird von äußeren Einschreibungen bestimmt.
Mich interessiert das Verhältnis von Körper und "Seele", von äußerer Form und innerem Zustand."
Aus getragenen, aussortierten Kleidungsstücken, den symbolischen Gegenständen unserer Überflussgesellschaft und des unbewussten, schnellen Genusses, fertigt Dieker ihre häufig nach der menschlichen Gestalt gebildeten Skulpturen. Sie schichtet, formt - und versehrt. In die sorgfältig übereinandergelegten feinen textilen Lasuren greift die Künstlerinnenhand auch wieder zerstörend ein und macht dadurch die menschliche Verletzbarkeit deutlich.
"Anita", die sich in verführerischer Pose auf ihrem Barhocker räkelt, wurde deshalb auch folgerichtig nach einer berühmten Künstlerin der "goldenen 20er Jahre" benannt: Anita Berber lebte in einer Zeit, die sich im Typ der sogenannten "neuen Frau" manifestierte.
Als künstlerisch begabt, hemmungslos, verschwenderisch und exzessiv wurde Anita Berber von Zeitgenossen beschrieben. Die Ambivalenz dieser Lebensart, den Glamour aber auch die zerstörerische Energie, zeigt Dieker durch das golden funkelnde Paillettenkleid: Es verhüllt zwar anschmiegsam die Gestalt, zieht aber auch massiv die Blicke auf den darunter befindlichen, verletzlichen Leib. Die schöne Hülle bekommt Risse und Löcher zugefügt, wie durch allzu stechende Blicke verursacht. Ob die helmartige Kopfbedeckung tatsächlich den Schutz der Anonymität gibt, muss unbeantwortet bleiben. Der Barhocker mag ebenfalls für die unsichere Ambivalenz dieses Lebensentwurfes stehen: er bietet zwar die Bühne für ein aus der Masse herausgehobenes Posieren, zeigt aber in seiner Fragilität auch die Instabilität der auf ihm sitzenden Gestalt.
In sehr unterschiedlicher Weise thematisiert das Kunstwerk eine der großen Herausforderungen des menschlichen Lebens: das Finden der individuellen Balance zwischen Verzicht und Genuss, Disziplin und Überschwang, Entsagung und Exzess auch im Hinblick auf gesellschaftliche, kulturelle und religiöse Normen und Vorgaben.
(Vgl. www.kleidungskultur-soer.de/?m=201802; www.kleidungskultur-soer.de/?p=847 (abgerufen am 12.2.2018))
Prof. Dr. Teresa Bischoff.
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