Europäisches Kunstgewerbe
am
15.11.2014,
Los
1625
Taxe: € 80.000
Ergebnis: €
103.200
(inkl. Aufgeld)
HOCHBEDEUTENDE FOLGE VON ZEHN BAROCKEN GÖTTERBÜSTEN.
Italien. 1. Hälfte 18.Jh.
Weißer Carrara Marmor. Dargestellt sind Götter und Personifikationen der griechisch-römischen Mythologie: Tyche,
Hermes, Dionysos, Flora, jugendlicher Heros Adonis, Aphrodite-Venus, Helios-Apollon,
Artemis-Muse, sowie ein Jahreszeitengenius und Gott oder Heros. Höhe der Büsten ca. 75cm cm. Zustand B/C. Beilage: Acht Steinsockel mit vorgelagerten konischen Pilastern um 1910 gefertig, sowie zwei glatte Steinsockel wohl 1960er Jahre. Höhe ca. 140 cm.
Provenienz:
-Auktion J.M. Heberle (H. Lempertz' Söhne) GmbH, Köln: Beiträge aus verschiedenem Besitz,
darunter der Nachlaß Freifrau Mathilde von Schorlemer geb. Freiin von Dörnberg zu
Traunstein, Freifrau Stephanie von Carlowitz zu Konstanz, und anderer ; 5. Dezember bis
10. Dezember 1910. Lot 1118
- Sammlung Julius Vorster zur Ausstattung des Vorsterschen Landsitzes in Oberkassel.
- Von 1961 bis 2014 als Dauerleihgabe im Weltkulturerbe Schloss Augustusburg in Brühl.
Gutachten:
Prof. Dr. Christiane Vorster September 2014.
"10 marmorne Götterbüsten aus dem Besitz Julius Vorster
Herkunft
Die Büsten wurden 1910 von dem Kölner Kommerzienrat Julius Vorster in einer Auktion bei
Heberle in Köln erworben.
Als Herkunftsangabe wird in einem späteren Schreiben lediglich
"aus einem italienischen Palazzo oder Garten" vermerkt. Die Büsten dienten als Schmuck des
Vorsterschen Landhaus in Oberkassel, Friedrichstraße 16, und waren dort auf der Terrasse,
im Eingangsflur und im Garten aufgestellt.(s. Foto um 1930).
Seit 1961 befanden sich die Büsten als Leihgabe in Schloß Brühl und waren dort bis vor
kurzem in der Orangerie aufgestellt, s. Foto.
Maße, Erhaltungszustand
Die 10 Büsten mit einer durchschnittlichen Gesamthöhe von 75 cm (Br. 62-65 cm; Kopfhöhe
29-30 cm) sind aus einem feinkörnigen, weißen Marmor gearbeitet. Nach dem Augenschein
handelt es sich um qualitätvollen >marmo statuario< aus den Carrara-Brüchen.
Die sehr sorgfältige Ergänzung der Nasen in Marmor bei einigen Köpfen dürfte im 19.
Jahrhundert erfolgt sein, so bei der Tyche (1), der weiblichen Muse oder Artemis (8), dem
Dionysos (3), den jugendlichen Heroen (5 u. 9). Flickungen der Nasenspitzen in Gips bzw.
Kunstharz sind demgegenüber auf die Restaurierung von 1964 zurückzuführen, vor der
Aufstellung in der Orangerie von Schloß Brühl. (s. Brief von der Verwaltung Schloß Brühl
vom 14. 12. 1964). Die Oberfläche der Büsten hat offensichtlich durch längere Aufstellung
im Freien und anschließende Reinigung gelitten.
Die Sockel mit einer Höhe von 1,40 m (Br. 38-40 cm) wurden Anfang des 20. Jahrhunderts für
die Aufstellung im Hause Vorster angefertigt (s. Zeichnung).
Benennung / Funktion / Entstehungszeit
Die Büsten stellen Götter und Personifikationen der griechisch-römischen Mythologie dar,
die durch Attribute ausgewiesen sind. Es handelt sich um:
1. Tyche, Personifikation und Schutzgottheit von Städten, kenntlich an der Mauerkrone auf
dem Kopf.
2. Hermes-Mercur, Gott der Wege und der Kaufleute, mit Flügeln an seiner helmartigen
Kopfbedeckung.
3. Dionysos, Gott der Festtagsfreude, mit Trauben im Haar.
4. Flora, die Göttin der Fruchtbarkeit und des guten Gedeihens, mit Rosen im Haar.
5. Junger Gott oder Heros, möglicherweise Ares oder Adonis als Pendant zur Aphrodite.
6. Aphrodite-Venus, mit entblößter Brust.
7. Apollon-Helios, Gott des Lichts und der schönen Künste, mit einer Sonne über der
Stirn.
8. Göttin oder Heroine, mögl. eine Artemis oder Muse als Pendant zum Apollon-Helios
9. Jahreszeitengenius, mit Früchten im Haar.
10. Junger Gott oder Heros mit gefibeltem Mantel, möglicherweise ein weiterer
Jahreszeitengenius.
Die gegenläufigen Kopfwendungen und Gewanddrapierungen, die mal die linke, mal die rechte
Schulter freilassen, legen nahe, daß die Büsten als Pendants gearbeitet sind oder
zumindest gegenläufig aufgestellt waren, entweder paarweise oder in einem Halbkreis.
Denkbar wäre folgende Anordnung:
- Die Stadt- und Schutzgöttin Tyche (1) mit Hermes-Merkur (2)
- Dionysos (3) mit Flora (4)
- Jugendlicher Heros "Adonis" (5) mit Aphrodite-Venus (6)
- Helios-Apollon (7) - Artemis-Muse (8)
- Jahreszeitengenius (9) mit Heros (10)
Nach Erhaltungszustand und Art der Gestaltung war die Serie von Anfang an für einen
Kontext im Freien, also im Außenbereich eines Palazzos oder in einem Park, geschaffen.
Entsprechend sind die Gewänder flott mit dem Meißel und nicht sehr differenziert
ausgearbeitet. Die Rückseiten sind grob gespitzt.
Die ein wenig manierierten Gesichter mit den großen, vorquellenden Augen, den kleinen
Mündern und die linearen Konturen der Draperien zeigen die charakteristischen Eigenheiten
des frühen 18. Jahrhunderts. In diese Zeit des Spätbarock, deutlich vor dem Einsetzen
klassizistischer Tendenzen in der Skulptur, paßt auch die Charakterisierung der
Dargestellten durch einzelne, plakativ angebrachte Attribute.
Eine enge Parallele und zugleich einen Datierungsanhalt bieten Büsten der Dresdner
Skulpturensammlung, die zu den vor 1728 getätigten Erwerbungen August des Starken gehören.
Zu nennen sind eine weibliche Göttin, wohl eine Flora (Inv. 1728 Bl. 054 Nr. 00a) mit sehr
ähnlicher Gestaltung von Gesicht, Haar und Gewand wie die Flora, hier Nr. 4, und ein
Apollon-Helios (Inv. 1765 Bl. 202 Nr. 323) mit nahezu identischer "Sonnenscheibe" auf der
Brust wie die Büste hier Nr. 7. (Ebenfalls formal verwandte, aber in Material und Arbeit
deutlich weniger qualitätvolle Götterbüsten finden sich in Schloß Peterhof bei St.
Petersburg).
Als Herkunft möchte man am ehesten an norditalienische Provenienz denken. Eine
Aufstellung an der Außenwand eines Palazzos oder im Bereich einer Brunnenwand, wie etwa in
der Villa Reale di Marlia, ist auch für das angebotene Ensemble als ursprüngliche Funktion
anzunehmen."
Prof. Dr. Christiane Vorster.
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343. Europäisches Kunstgewerbe,
am
15.11.2014,
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