Auktion 316 Los 1295, 48268-1, Van Ham Kunstauktionen
Auktion 316, Los 1295 aus unserer Rubrik: Keramik
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Europäisches Kunstgewerbe und Schmuck
am 16.11.2012, Los 1295
Ergebnis: € 25.800
(inkl. Aufgeld)

Großer Tondo mit Heiligem Hieronymus.
Außenkranz: Florenz. Werkstatt Andrea Della Robbia zugeschrieben. Um 1490. Innenteil: Wohl Florenz. 19. Jahrhundert. Der Außenkranz und der separat davon gebrannte, runde Innenteil mit Kirchenvater
Hieronymus weisen den gleichen hellbeigen Scherben auf. Der Kranz wurde mehrfarbig
glasiert, während der innere Teil auf die Farben Weiß und Blau reduziert ist, mit einigen
Details in dunklem Manganviolett wie die Augen und die Schrift des aufgeschlagenen Buches.
Der Seitenrand des Kranzes mit farbiger Kaltbemalung an Oberseite angeglichen.
Durch den aus drei Teilen zusammengesetzten Kranz zur Stabilisierung und Anbringung der
Tragöse ein Metallring verlaufend.
Sowohl die Rückseite des äußeren Kranzes als auch der innere Teil mit Kirchenvater wurden
im Rahmen einer älteren Restaurierung partiell mit Gipsmasse verfüllt.
Auf der oberen Seite des Außenrands Reste eines alten Klebeetiketts mit handschriftlicher
Inventarnummer (?): IV s= 3(.).

Der dichte, im Uhrzeigersinn gewundene Blätterkranz wird von weißen und bläulichen Blüten,
Eicheln, Mispeln, Pflaumen, Oliven und Trauben durchsetzt. Schmale, gelbe Bänder
unterteilen ihn in sechs gleich große Abschnitte.

Zum Innenfeld hin wird er durch ein
Eierstab-Profil getrennt.
Der innere Teil des Tondo zeigt den Kirchenvater Hieronymus mit Heiligenschein, in ein
Mönchsgewand gekleidet. Er sitzt auf einer Wolkenbank, in der rechten Hand ein geöffnetes
Buch haltend auf das er blickt. Zu seinen Füßen lagert ein ihm zugewandter Löwe. Durchmesser 75cm, Höhe 12cm. Zustand B/C.

Provenienz:
Privatsammlung NRW.

Naturwissenschaftliche Analyse:
Thermolumineszenzanalyse durch Doreen Stoneham von Oxford Authentication Ltd. Februar 2012
vorliegend:
Der Zeitpunkt des Brandes des Außenrings konnte zwischen 1412 - 1712 datiert werden,
wohingegen der innere Teil maximal in die 1860er Jahre datiert werden kann.

Literatur:
- Gentilini, Giancarlo (Hrsg.): I Della Robbia e l'arte nuova della scultura invetriata,
Florenz 1998.
- Marquard, Allan: Andrea della Robbia and his atelier, London 1922, Bd.1, S.102f., Nr.70
und 71. Zu Tondi Berlin.
- Niemeyer Chini, Valerie: Stefano Bardini e Wilhelm Bode - Mercanti e connaiseur fra
Ottocento e Novecento, Florenz 2009, Abb. 81.
- Radcliffe, Anthony; Baker, Malcom; Maek-Gérard, Michael: The Thyssen-Bornemisza
Collection, Renaissance and later sculpture, London 1992, S.92ff., Nr.10. Zu Tondo Madrid.
- Schottmüller, Frida: Die italienischen und spanischen Bildwerke der Renaissance und des
Barock, Berlin 1913, S.45, Nr.104 und 105. Zu Tondi Berlin.

Der hier vorliegende Tondo ist einer Gruppe von drei weiteren zuzuordnen, welche ebenfalls
je einen der vier lateinischen Kirchenväter zeigen. Sie werden der florentinischen
Werkstatt des Andrea della Robbia (1435-1525) zugeschrieben und allgemein um das Jahr 1490
datiert.
Der Tondo mit der Darstellung des Heiligen Augustinus befindet sich heute in der Sammlung
Thyssen-Bornemisza in Madrid (Inv.Nr. CTB.DEC1594). Die beiden Tondi mit den Darstellungen
des Heiligen Gregor und Ambrosius in der Sammlung des Bode Museums in Berlin (Inv.Nr. 104
(I, 4999) und 105 (I,5000)).
Alle drei weisen den ungefähr gleichen Durchmesser auf und sind von einem breiten Blätter-
und Früchtekranz umgeben, welcher durch ein Birnstabrelief nach Innen abschließt. Sie
zeigen den jeweiligen Kirchenvater in nachdenklicher Haltung mit einem aufgeschlagenen
Buch in Händen auf Wolken sitzend, weiß auf blauem Grund (Siehe Schaubild).

Wie Anthony Radcliffe (1992) ausführt, befanden sich diese drei Tondi um das Jahr 1890 in
der Hand des Florentiner Kunsthändlers und Sammlers Stefano Bardini (1836-1922).
Die beiden heute in Berlin befindlichen Stücke wurden kurz vor 1898 durch Vermittlung des
Münchner Händlers Julius Böhler von dem Berliner Sammler James Simon erworben. Dieser
schenkte sie 1904 dem Kaiser-Friedrich Museum in Berlin.
Der Tondo der Sammlung Thyssen-Bornemisza wurde 1896 durch Prinz Johannes II von
Liechtenstein direkt von Stefano Bardini erworben. Der vierte Tondo blieb bis heute
verschollen.

Aus der Werkstatt der Della Robbia sind mehrere Beispiele für Vierergruppen dieser Art
bekannt. In der Regel waren sie als Dekoration in einen größeren architektonischen
Zusammenhang wie Innenräume von Kapellen eingefügt. Sie wurden wie in der Kapelle des
Palazzo Pio in Carpi in die Bogenfelder eingelassen oder in die Zwickelfelder wie in der
Pazzi Kapelle in Santa Croce in Florenz. Die vier Evangelisten in San Giobbe in Venedig
oder die Tondi mit den vier Kardinaltugenden in San Miniato al Monte in Florenz hingegen
wurden direkt in die Gewölbefelder eingefügt. Auch für die Gruppe der vier Kirchenväter
muss dies wohl der Fall gewesen sein.

Wie Radcliffe (1992) ausführt müsste der bis dato verschollene Tondo den Kirchenvater
Hieronymus zeigen um die drei bekannten Tondi mit Kirchenvätern zu komplettieren.
Der Heilige des hier vorliegenden Tondo kann aufgrund seiner Darstellung mit seinem
Attribut dem Löwen als solcher identifiziert werden. Auch die Art und Weise der
Sitzposition und der in sich gekehrten Haltung des Kirchenvaters weisen den Tondo als Teil
der Vierergruppe aus. Nicht zuletzt wären in diesem Zusammenhang auch die
übereinstimmenden Maße zu erwähnen.
Das unten stehende Schaubild zeigt nun einen Rekonstruktionsvorschlag zu der
ursprünglichen Anbringung der drei bekannten Tondi zusammen mit dem hier vorliegenden in
einem Kreuzgratgewölbe. Radcliffe (1992) war davon ausgegangen, dass der verschollene
Tondo den Heiligen nach rechts blickend zeigen müsste, so dass jeweils zwei Kirchenväter
einander zugewandt wären. Dies ist hier nicht der Fall, was aber aus dem bekannten Werk
der Della Robbias bekannt ist. So beispielsweise das Gewölbe mit vier Evangelisten in San
Giobbe in Venedig (Luca Della Robbia, um 1475). Auch hier sind zwei Evangelisten einander
zu- und zwei voneinander abgewandt in das Gewölbe eingelassen.

Der hier vorliegende Tondo ist also stilistisch der Gruppe der drei oben benannten Tondi
zuzuordnen und der äußere Kranz durch die Analyse auch in die Entstehungszeit um 1490 zu
datieren. Da der Innenteil auf Grundlage der Thermolumineszenzanalyse aber in das 19.
Jahrhundert datiert werden muss, wäre folgende These vorstellbar:
Es wäre möglich, dass bei dem Unterfangen die Vierergruppe aus ihrem ursprünglichen
architektonischen Kontext herauszulösen, der innere Teil des 'Hieronymus-Tondo' zerstört
oder stark beschädigt wurde und im Auftrag Stefano Bardinis zur Komplettierung der Gruppe
anhand des Originals nachgebildet wurde.
Der Tondo mit dem Kirchenvater Hieronymus ist somit in einen außergewöhnlichen
kunsthistorischen Zusammenhang zu stellen und erlaubt es eine seit langer Zeit
unvollständige Gruppe nun in ihrer Gesamtheit beurteilen und erfahren zu können.



Schaubild:
Vorschlag einer Rekonstruktion des ursprünglichen architektonischen Kontexts des
vorliegenden Tondo gemeinsam mit den beiden Tondi aus der Sammlung des Bode-Museums Berlin
und des Tondo der Sammlung Thyssen-Bornemisza, Madrid.


- Tondo mit Hl. Ambrosius (2):
Andrea della Robbia
Florenz, um 1490
Terracotta, polychrome Glasur
Durchmesser (variierende Angaben) 76 bzw. 77 cm.
Provenienz:
- Kunsthändler Stefano Bardini, Florenz, um 1890.
- Kunsthändler Julius Böhler, München.
- Sammlung James Simon, Berlin, vor 1898.
- Bode Museum, Berlin, 1904.

Abbildung:
bpk / Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, SMB.


- Tondo mit Hl. Augustinus (3):
Andrea della Robbia
Florenz, um 1490
Terracotta, polychrome Glasur
Durchmesser 75,3 cm, Höhe 13 cm.
Provenienz:
- Kunsthändler Stefano Bardini, Florenz, um 1890.
- Verkauft an Johannes II Prinz von Liechtenstein, Wien 20. Mai 1896.
- Verkauft an Kunsthändler Robert Bouyeure, Mailand 1956.
- Sammlung Thyssen-Bornemisza, Madrid 1957.

Abbildung :
©Photo SCALA, Florence, © 2012. © Colección Carmen Thyssen-Bornemisza en
depósito en el Museo Thyssen-Bornemisza.


- Tondo mit Hl. Gregor (4):
Andrea della Robbia
Florenz, um 1490
Terracotta, polychrome Glasur
Durchmesser (variierende Angaben) 76 bzw. 77 cm.
Provenienz:
- Kunsthändler Stefano Bardini, Florenz, um 1890.
- Kunsthändler Julius Böhler, München.
- Sammlung James Simon, Berlin, vor 1898.
- Bode Museum, Berlin, 1904.

Abbildung:
bpk / Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, SMB / Antje Voigt.

Profilbild Susanne Mehrgardt

Ansprechpartner/Ansprechpartnerin

Susanne Mehrgardt

Mail icon s.mehrgardt@van-ham.com

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