Max von Spaun, der Besitzer der Glashütte Loetz, gehörte zu den Besuchern einer im Sommer 1897 gezeigten Ausstellung von Glas des amerikanischen Unternehmers Louis Comfort Tiffany im Nordböhmischen Museum für Industriekunst in Reichenberg. Es ist wahrscheinlich, dass diese Erfahrung den Unternehmer dazu bewegte, sich näher mit dem von Tiffany für hohe Preise angebotene Favrilglas zu beschäftigen. Sicher ist, dass er um diesen Zeitpunkt das wirtschaftliche Potential einer erschwinglicheren Variante der Amerikanischen Produkte erkannte.
Bereits 1895 und 1896 hatte Loetz Patente für irisierendes Glas mit "metallischem Schimmer" erhalten. Erste Glaswaren in Jugendstilformen fanden sich ab 1896 im Sortiment des Unternehmens. Ab 1898 begann man mit der Produktion eigener irisierender Waren, die zuerst offen als "im Tiffany-Stil" deklariert wurden. Allerdings begnügte man sich nicht damit das das Glas der amerikanischen Konkurrenz zu imitieren, sondern begann mit eigenen, neue Designs und dekorativen Techniken zu experimentieren.
Das Ergebnis war eine Decorserie, die unter dem Namen „Phänomen“ bekannt werden und der Glashütte Loetz zu ihrem großen internationalen Erfolg verhelfen sollte. Auf der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 präsentierte man einige dieser Stücke, die das Auge der Jury durch ihr Leuchten, den metallischen Schimmer und die bewegt fließenden Fadendekore auf sich zogen. Völlig überraschend verlieh man der Glashütte Lötz den begehrten Grand Prix, womit diese sich plötzlich auf einer Ebene mit großen Namen der Glaskunst wie Émile Gallé, Daum Frères oder auch Tiffany wiederfand.
Der Erfolg des Phänomen-Glases war enorm aber kurzlebig. Bereits ab 1903 ging der Absatz stark zurück. Heute gelten die Stücke bei Kennern längst als begehrte Liebhaberstücke, die in zahlreichen wichtigen privaten und öffentlichen Sammlungen zu finden sind.